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Anton Quintana

Wandernde Hügel, Singender Sand

Roman. Dressler Verlag, Hamburg 1997, 429 S., ISBN: 3-7915-1664-7, >>> Amazon
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Irgendwo, irgendwann im Land der Steppen. Immer wieder wird es neu erobert, denn die mongolischen Nomaden sind zwar tapfere Einzelkämpfer, vermögen jedoch keine großen Heere zu bilden. Aber was heißt hier schon erobert? Der im Wind singende Sand der wandernden Hügel läßt sich nur schwerlich begrenzen, genausowenig wie sich die dazwischen lebenden Bewohner leicht ausfindig machen lassen. Sie bestellen keine "Äcker des Bodens", sondern "Äcker der Hufe". Und weil ihre Lebensgrundlage nie lange auf demselben Platz bleibt, müssen sie immer weiterziehen bis ihr Vieh jene wildwachsenden Pflanzen findet, die es am Leben erhalten. Schwierig, wenn man wie Peregrin ein "Knochenbrecher" ist. Kaum scheint sein Bein unter dem Verband geheilt zu sein, bricht es gleich wieder. Selbst an den Ruhetagen fühlt Peregrin sich ausgeschlossen, denn zu einem richtigen Fest gehört auch das Tanzen. Dabei hatten sich schon eine Menge Schamanen an seinem Bein versucht.
Peregrins letzte Hoffnung ist Bod Pa: Ein häßlicher, blinder Zwerg, der selber hinkt. Anstelle von Zaubersprüchen, Handauflegen und Amuletten gibt er nur rätselhafte Antworten auf ungestellte Fragen, und direkte Fragen beantwortet er entweder gar nicht oder widersprüchlich. "Und wenn schon!" denkt sich Peregrin, denn das ist sein Totschlagargument für alles, was ihm nicht paßt.
Die ersten 23 Seiten könnten für ungeübte oder lediglich "auf Action abfahrende" Leser eine Hürde sein. Da bereitet Anton Quintana ganz allmählich, aber in eindringlichen Bildern das Tableau vor, auf dem er seine Geschichte von Peregrin und Bod Pa präsentiert. Und dieses Tableau ist nun mal eine Steppe, in der außer dem Wind und einem einsamen Reiter sich nur wenig zu bewegen scheint. Mit dem Vorstellen Peregrins erhöht sich jedoch das Tempo, wird es sofort spannend, als sich dann auch bald der einsame Reiter aus dem Norden zu erkennen gibt. Trotz seiner Häßlichkeit strahlt Bod Pa eine Würde aus, an der Peregrins kultivierter Widerwille einfach abprallt. Peregrin muß zugeben, daß Bod Pa zwar brutal aber redlich ist, zwar einen gewissenlosen Eindruck macht, aber sich sehr konsequent an die von ihm selbst aufgestellten Regeln hält und da, wo andere nur denken, hat er sein Denken längst in Handeln umgesetzt. Das Notwendige ist gut, das Unnötige schlecht. Aber die wirkliche Stärke von "Wandernde Hügel, Singender Sand" liegt eben gerade darin, daß hier kein übermächtiger Meister einem devoten Schüler gegenübersteht. Peregrin wehrt sich und trifft mit seinen Entgegnungen oft genug ins Schwarze. Und Bod Pa, der nicht zuletzt auch ein gefährlicher Schwertkämpfer ist, respektiert ihn dafür.
Die Ängste vor dem Verlust des Alten, vor der Unwägbarkeit des Neuen, die Ängste vor dem Leben, vor dem Tod werden hier im besten Sinne sokratisch erörtert. Weniger die Antworten als die richtigen Fragen und vor allem die nicht nachlassende Auseinandersetzung mit allen Fragen des Lebens und des Todes stehen im Zentrum. Und bei aller Wertschätzung von "Sophies Welt": Anton Quintana vollbrachte das Kunststück, sein Philosophieren als eine Erzählung zu entfalten, die nicht nur den Kopf bewegt, sondern auch insgesamt anzurühren vermag. Peregrin und Bod Pa gehen einem "zu Herzen". Man kann sich mit ihnen identifizieren und sich an ihren Vorstellungen geradezu fühlbar reiben - durchaus auch bereits mit 14 Jahren.
Das hat natürlich auch etwas mit der Erzählweise zu tun. Ob Poesie, Slapstick oder umwerfend dröger, schwarzgalliger Humor: Mirjam Pressler, einmal mehr in Höchstform, vermochte Quintanas Facettenreichtum sehr überzeugend ins Deutsche zu übertragen. Keineswegs nur weil das Original bereits in den Niederlanden preisgekrönt wurde, kann der Deutsche Jugendliteraturpreis dieses Buch kaum übergehen ...

Buechernachlese © Ulrich Karger


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