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"... warum tun wir das eigentlich? Die Antwort: Weil wir diesen Universitäten
in den letzten 300 Jahren sehr viele Impulse für die Entwicklung und
Verbesserung der Gesellschaft zu verdanken haben."
So begründet Shepard Stone u.a. auch das Engagement der Ford-Stiftung
für die FU. Wenn man also dem ehemaligen Direktor der Stiftung eines
der größten Industriemagnaten glauben darf, sind die Universitäten
eben nicht nur Steuergeldschlucker, sondern leisten etwas, wofür es
sich lohnt oder lohnen würde (mehr) Geld auszugeben (zu investieren).
Problematisch wird diese Einsicht immer nur dann, wenn den Kontrolleuren
und Vergebern dieser Gelder jene Impulse zur Verbesserung der Gesellschaft
nicht in den Kram passen, vor allem, wenn sie deren Machtposition oder
gar den Hintergrund dieser Machtposition in Frage stellen.
1948 Forderung nach freiem Studium ohne die Doktrinen des damals 'real
existierenden Kommunismus' und der Abkehr von der Ordinarienuniversität,
d.h. auch Mitbestimmungsrechte für die Studierenden.
1968 Forderung nach Politisierung und Demokratisierung der Gesellschaft
und 'dem Abschneiden der alten Zöpfe' innerhalb der Uni.
1988 Forderung nach der zumutbaren Wahrnehmungsmöglichkeit eines
Studiums (überfüllte Hörsäle; Wohnungsnot; niedriger
Bafög-Satz ...)
48, 68, 88.. diese Jahreszahlen sind zwar nicht willkürlich herausgegriffen,
aber das Auflodern und Abebben des geeinten Zeichensetzens erstreckt sich
stets über mehrere Jahre, greift z.T. ineinander über, und die
Höhe- und Tiefpunkte werden je nach Sichtweise auch verschieden festgelegt.
Den Herausgebern Uwe Prell und Lothar Winkler (beides ehemalige FU-Studenten)
ist es in ihrer nunmehr zweiten Dokumentation abermals gelungen, ein Stück
des Besten, was Akademien früher boten und Unis heute bieten sollten,
vorzuführen: Die Annäherung an aufklärende Objektivität
durch die Darstellung ihrer Pluralität.
Der erste Teil wurde von 10 AutorInnen mit eigen zu verantwortenden
Beiträgen gestaltet (u.a. G.Kotkowski, einem Autorenkollektiv der
Humboldt-Uni in Bln-Ost, Alexander Schwan, Anna Jonas, Klaus Schütz,
Dieter Heckelmann). Der Beitrag von Michael Haase und Christine Richter
(beides Studierende von 1988) weist als einziger schon auf die seit der
Jubiläumsfeier 'ausgebrochenen Unruhen' hin. (Drucklegung des Buches
war offenbar vor den sichtbar gewordenen Auseinandersetzungen auf dem Berliner
Campus.) Die anderen, wie auch im zweiten Teil die interviewten 'Zeitzeugen'
(S. Stone, H. Schultze, W.Sickert, S. Kubicki, O.K. Flechtheim, P. Schneider
und R. Kreibich) sehen die jetzige StudentInnen-Generation noch als vergleichsweise
amorphe und apolitische Masse.
25 Dokumente (inkl. Auszüge des Berliner Hochschulgesetzes von
1986) sowie eine Zeittafel von den Anfängen der FU bis heute geben
den 'Nachgeborenen' den nötigen Hintergrund für die in den beiden
ersten Teilen des Buches sehr kontrovers erörterten Vorgänge
innerhalb und außerhalb der FU während der letzten 40 Jahre.
Daß die jüngsten Ereignisse nicht aufgeführt sind,
tut dem Buch keinen Abbruch, da sie zum Einen noch wie ein schwebendes
Verfahren zu bewerten sind, und zum Anderen kann und soll diese Dokumentation
gerade zur Bewertung des Woher und Wohin der augenblicklichen Situation
außerordentlich nützlich sein.
Wer weiß, vielleicht verhilft es sogar dazu, alte Fehler einmal
nicht zu wiederholen ... nicht nur nicht an der FU-Berlin, sondern auch
anderenorts.