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"Freispruch für Bernd Schmiet! Mauerschütze geht straflos
aus!" Mike, dessen Bruder das Opfer von Schmiet war, legt nach diesem
Urteil Feuer in dem Haus, in dem Schmiet eine vorläufige Unterkunft
gefunden hat. Zusammen mit seiner Freundin Jana fährt er dann nach
Ungarn an den Plattensee - ein perfektes Alibi und zugleich ein Ort voller
Erinnerungen an die Vor-Wendezeit. Gerade auch für Jana, deren Vater
Lehrer und SED-Funktionär war und mit der STASI zusammengearbeitet
hatte. Daß sie sich in den Pfarrerssohn mit den radikalen Ansichten
verliebte und diese Verbindung bis heute gehalten hat, erscheint ihr ihm
Nachhinein wie ein Wunder, aber wohin soll der Haß von Mike noch
führen ...
5 Jahre "danach" leistet DER ZWEITE PROZEß von Carolin
Philipps wichtige Merk-Arbeit. Welch fatalen Auswirkungen das ehemalige
DDR-Regime für das Leben vieler Jugendliche hatte, scheint beinahe
schon wieder vergessen. Das gilt allerdings anscheinend auch für die
Leistungen der BürgerrechtlerInnen, deren gewaltfreier Widerstand
entscheidend zu einer "friedlichen Wende" beigetragen haben. Das Recht
auf Selbstjustiz zu schlußfolgern, wenn die Rechtsprechung nicht
mit dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden übereinstimmt, kann aber nicht
die Lösung sein!
Eingebettet in die Rahmenhandlung der Jetztzeit, gelingt der Autorin
ein fesselnder Rückblick, der einem die Schwierigkeiten eines Alltags
ohne Meinungs- und Reisefreiheit wieder deutlich vor Augen führt.
Insbesondere für Jugendliche der Oberstufe bietet diese Erzählung
eine ausgezeichnete Diskussionsgrundlage über die Antipoden Ost-West,
Erwachsene-Jugendliche und Täter-Opfer, die sich in Wirklichkeit nie
so eindeutig festschreiben lassen, wie es z.B. die Sensationspresse gerne
hätte.