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Max und Kevin waren gemeinsam im Kindergarten, dann haben sie sich aus
den Augen verloren. Die Mutter von Max wurde erwürgt, sein Vater deshalb
zu "lebenslänglich" verurteilt. Max hat sich seitdem
in Schweigen gehüllt und "kickt" gegen alle, durch deren mitleidige Umarmerei
er sich bedrängt fühlt. Zu allem Übel ist er auf das
Gardemaß seines Vaters herangewachsen und sieht ihm verblüffend ähnlich.
Die Großeltern 'Grim' und 'Gram' befürchten schon das Schlimmste
und sind ganz froh, daß sich Max im Keller ihres Hauses ein Zimmer eingerichtet
hat.
In den Sommerferien zwischen der 7. und 8. Klasse trifft Max jedoch
wieder auf Kevin, den Freak. Kevin ist mit seiner Mutter in das Haus gegenüber
gezogen. Wegen einer Wachstumsstörung ist Kevin kaum einen Meter groß
und kann sich nur auf Krücken oder krabbelnd vorwärtsbewegen.
Aber Kevin läßt sich von seiner lebensbedrohlichen Behinderung
nicht unterkriegen. Er hat sie vielmehr als Herausforderung angenommen,
der er mit seiner erstaunlichen Intelligenz so manchen Punktsieg abringt.
Kevin und Max lernen sich zu ergänzen: Während Kevin auf den
Schultern von Max nun die Rundumsicht eines "Dreimetermannes" genießt,
profitiert Max von Kevins lexikalischem Wissen. Zusammen sind sie nun "Freak der Starke",
der wie ein Mann auf die "Suche" geht und dabei phantastische wie
gefährliche Abenteuer besteht.
Bei allen Schattenseiten des überlieferten 'American way of
life' gibt es einen Aspekt, der uns in der 'Alten Welt' immer
wieder staunen läßt: Dieses beharrliche Durchdeklinieren des
Konjunktivs, das scheinbar Unmögliches als vollendete Wirklichkeit
denkbar macht. So bringt auch Rodman Philbrick die zwei jugendlichen Außenseiter
unter einen Hut, ohne ihre Kanten voreilig zu glätten und den Plot
zum Ende hin ins zuckrig Kitschige zu verfälschen. Allerdings nutzen
beide konsequent die wenigen Chancen, die sie haben - und hier setzt das
Märchenhafte und zugleich Mutmachende der Geschichte an: Immer bereit
sein, nie die Hoffnung aufgeben, es könnte ja doch noch genau der
Partner auftauchen, der einem aus der Misere hilft. Auf diesen Zug aufzuspringen
fällt hier angesichts der fesselnd entwickelten Dynamik nicht schwer.
Die ausgedachten Ritterkämpfe Kevins spiegeln sich nicht nur in den
realen Überlebenskämpfen gegen eine brutale Jugendbande, sondern
insbesondere in der spröden Erzählerstimme von Max - von jenem Max,
der am Anfang von sich behauptet, er könne keinen einzigen Satz vor
seiner Schulklasse zu Ende bringen. Das Finale ist bittersüß,
die Krankheit Kevins fordert ihren Preis, dennoch haben beide
eindeutig gewonnen. Sie sind nicht nur zusammen, sondern auch jeder für
sich aus sich herausgewachsen.