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Boris Pahor

Kampf mit dem Frühling

Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1997, 378 S., ISBN: 3-608-93399-9, >>> Amazon
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Radko Suban hat das Konzentratslager überlebt. Im Mai 1945 bringt ihn der Zug von Bergen-Belsen nach Paris. Dort lernt er in einem Sanatorium für Lungenkranke die Krankenschwester Arlette kennen. Die Liebe zu Natur und Literatur schafft Verknüpfungspunkte, Radko und Arlette verlieben sich ineinander. Aber nicht von ungefähr kommt es zwischen beiden sehr bald und sehr leicht zu Mißverständnissen. Nur unwesentlich älter zählt Ratko bereits zu den "einmal Gestorbenen", während Arlette eine junge Frau personifiziert, deren Lebendigkeit so anziehend wie irritierend ist. Radko leidet an Arlettes zuweilen unbedacht provozierter Wirkung auf andere Männer. Arlette dagegen versteht nicht, warum Ratko ihr nicht größeres Vertrauen schenkt.
Der KAMPF MIT DEM FRÜHLING wurde von Boris Pahor verfaßt. Obwohl bereits 1958 zum erstenmal erschienen, wurde dieser Roman jedoch im deutschen Sprachraum bisher nicht wahrgenommen. Das hat sicher zuerst mit der Herkunft des Autors zu tun. Er wurde 1913 in Triest geboren, wo er noch heute lebt. Die Stadt Triest selbst und ihr Hafen gehören zwar zu Italien, ihr Hinterland aber zu Slowenien, in dessen Landessprache Pahor seinen Roman einst niedergeschrieben hat. Damit steht er sprachlich für jenen östlichen Sprachraum Europas, der erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch bei uns wieder Beachtung findet. Und Boris Pahor wird im Klappentext als der bedeutenste slowenische Gegenwartsautor ausgewiesen.
Bei aller Anerkennung dieses Sachverhalts bleibt dennoch die Frage, inwieweit sich dieser Roman, der 1975 zum letzten Mal in der Originalsprache aufgelegt wurde, noch heute selber "trägt".
So ist der Grundgedanke, den Verlust der Unschuld angesichts der Todeslager eine personifizierte Unschuld wie Arlette gegenüberzustellen und aus dieser Konstellation eine Synthese entwickeln zu wollen, nach wie vor bestechend. Hinzu kommt, daß die Figur Ratkos dem Alter und dem Erleben nach dem Autor gleichzusetzen ist - Boris Pahor wurde im Krieg verschleppt und überlebte das KZ. Der Reiz der Authentizität wird noch dadurch erhöht, als Ratko/Pahor kein Jude ist. Er kann und will sich von daher nicht an den in so einem Zusammenhang bereits öfter erörterten jüdischen Lebens- und Glaubenszusammenhängen ausrichten.
Pahor sucht mit seinem Werk, dem am Anfang ein Zitat aus 'Die Pest' von Albert Camus als Motto voransteht, vielmehr Anschluß an den Existentialismus. Leider liefen dem Autor oder dem Übersetzer die ersten Seiten jedoch ein wenig aus dem Ruder. Da wirkt der einleitende Übergang vom Ort des Schreckens zurück in die (wieder erwachende) Zivilisation teilweise ein wenig mühsam und ermüdend, weil manch ergreifende Metapher in zum Teil einfach schlecht formulierte Sätze gebettet sind. Aber das sind nur kleine Hürden innerhalb der ersten 40, 50 Seiten. Spätestens mit dem Zusammentreffen der zweiten Hauptfigur fängt uns die Geschichte endgültig ein, schafft der Autor für seine Auseinandersetzung ein spannungsvolles Gegenüber. Die Ernsthaftigkeit im Bemühen um den anderen spiegeln sich in kunstvollen Dialogen. So druckreif tiefgründig wird kaum jemals gesprochen worden sein, dennoch ist das von anrührender Schönheit. Demgegenüber stehen die gedanklichen Ausdeutungen Radkos, die sich einerseits durch seine erfahrenen Schrecken erklären lassen zugleich aber auch ganz klassisch der Logik männlicher Eifersucht und dementsprechendem Besitzdenken gehorchen.
Ein Vexierspiel das voll und ganz aufgeht. Störend ist jedoch die der damaligen Zeit geschuldete Sicht auf die Rolle der "kleinen" Frau - wiewohl sich Pahor da vermutlich schon sehr aufgeschlossen wähnte. Hier gilt es, sich immer wieder den historischen Subtext sowie die Eingangsthese vor Augen zu halten - und notfalls darüber hinwegzulesen.
Das Ende ist hoffnungsvoll, der Kampf mit dem Frühling ist ein Kampf gegen die Absurditäten des Lebens - Ratko/Pahor scheinen ihn gewonnen zu haben.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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