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Svende Merian im Goldmann Verlag - Durchbruch oder Ausverkauf einer
jungen Autorin? Mit der 'goldmann-blitz'-Reihe erweiterte der Großverlag
seine umfangreiche Palette, um nun auch die 'Alternativ-Szene' zur Kundschaft
zählen zu können. Die mag sich dann auch ziemlich bestätigt sehen, wenn der Buchtitel erst auf Seite 3 folgende Erweiterung erfährt:
TEXTE AUS DEN JAHREN 1979-1982!
Jedoch sind diese Texte nachwievor aktuell und brisant, und in ihrer
Form durchweg im besten Sinne als abgelagerte Literatur zu erleben. Was
zwischen den 5 Kapiteln auf 78 Seiten zuerst nur wie ein Flickerlteppich
anmutet, ist das fein aufeinander abgestimmte Kaleidoskop einer Frau, die
im Alltäglichen wie zu den großen Themen ihre ureigene und keineswegs
doktrinäre Sicht von der Menschen-Welt gefunden hat. Das Offenlegen
ihres widersprüchlichen Erlebens und Handelns darin macht das engagierte
Eintreten für Gleichberechtigung viel glaubhafter, als es die ungeschliffenen
Tiraden im 'Tod des Märchenprinzen' heute noch sein könnten.
Svende Merian findet in der vorliegenden Textsammlung für ihr Anliegen
in aller Deutlichkeit sehr unterschiedliche Worte: Leidenschaftlich, zart,
witzig, entlarvend, bissig, traurig - widersprüchlich, und damit angenehm
unpathetisch und vor allem nachvollziehbar. War 'Der Tod des Märchenprinzen'
im historischen Sinne für die feministische Bewegung von großer
Bedeutsamkeit, so setzt dieses Büchlein darüber hinaus ein literarisches
Zeichen.
Nicht mehr nur leidendes Opfer einer sie zu übervorteilen suchenden
Männergesellschaft, erweiterte sie außerdem ihr Blickfeld auf
die anderen Schauplätze sie umgebender Beziehungskonstellationen,
auf denen sie notgedrungen selbst zur Täterin wird (WIR LEBEN GERNE MIT AUSLÄNDERN ZUSAMMEN). Gedichte, Betrachtungen, Märchen ... in
jedem Genre war für Svende Merian neben den treffend plakativen Aussagen
auch genügend Raum für Zwischentöne. Das Übel geht
nicht nur vom Manne aus, die Frau hat die guten Einsichten nicht für
sich allein gepachtet. Aber gerade deswegen ist es kein beruhigendes Buch.
Konnte man(n) beim Märchenpinzen über die Form an den eigentlichen
Inhalten vorbeikritisieren, wird mensch nun unaufdringlich gezwungen Stellung
zu beziehen. Auf den letzten Seiten ist dann auch nicht von ungefähr
ein bissiger Kommentar zu dem Umgang mit dem Tod des Märchenpinzen
nachzulesen, der ein Jahr nach dessen Drucklegung erstellt wurde: 1981.
Ein Vor- oder Nachwort von 1987 hätte da noch durchaus einen sinnvollen
Platz gehabt. So bleibt bei aller Anerkennung doch die Frage offen: Durchbruch
oder Ausverkauf ...