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Ein weiterer Abschnitt in Sofias Leben. Erzählte der inzwischen preisgekrönte erste Band 'Das Geheimnis des Feuers' von dem Verlust ihrer Beine und dem Tod ihrer Schwester Maria durch eine Landmine, so dreht sich bei der mittlerweile vierzehnjährigen Sofia nun alles um die Liebe. Da sind in der Nachbarschaft die Witwe Mukulela und nebenan der Witwer Temba, die sich jeden Tag über den unzeitig krähenden Hahn von Frau Mukulela streiten und am Ende dennoch zum Paar werden. Auch in Sofia regt sich die Sehnsucht nach körperlicher Nähe zu einem Jungen - allerdings nur im Geheimen, denn wegen ihrer Behinderung traut sie sich lange Zeit nicht, ihre Zuneigung zu offenbaren. Ganz anders als ihre drei Jahre ältere Schwester Rosa, nach der sich alle Jungen im Dorf umschauen. Doch eines Tages ist Rosa zu müde um aufzustehen. Muss man etwa sterben, wenn man liebt?
Henning Mankell, hierzulande vor allem durch seine Kriminalromane bekannt, lebt den Großteil des Jahres in Mosambik, einem der ärmsten Länder der Erde, und engagiert sich dort u.a. an einem Theater. Mit den insgesamt auf drei Bände angelegten Romanen um Sofia erweist er diesem Land nun auch die Referenz in seinen Erzählungen für Kinder und Jugendliche. Das Leiden Sofias und ihrer Familie hat jedoch nichts mit der zuweilen zermürbenden Resignation eines Kommissar Wallanders zu tun. Der Diebstahl des Kochkessels, die Bedrohung des Ackers durch einen Reichen aus der Hauptstadt, das mühsame Gehen Sofias auf den Prothesen und ihr Liebesleid finden zwar auch noch die Steigerung in der Erkrankung Rosas an AIDS - dennoch schreckt man als Leser vor diesem geballten Leid nicht zurück, weil es einer überraschend vitalen Lebensanschauung gegenübersteht. Während sich viele unserer Kinder im wahrsten Sinn des Wortes vor dem Fernseher und im virtuellen Raum des Internets zerstreuen, reichen Sofia kleinste Anstöße, um ihrer Phantasie Nahrung zu geben und sie daraus weiterbringende Erkenntnisse ziehen zu lassen. Am Rande der Existenz ist mit kaum mehr als dem 'täglich Brot' zu rechnen, aber gerade deshalb nimmt Sofia jede noch so kleine Nuance wahr, denn 'sie musste lachen dürfen. Mindestens einmal jeden Morgen und jeden Abend. Sonst war es, als würde ihr ganzes Leben zerbrechen.'
Henning Mankell sowie die Übersetzerin Angelika Kutsch verstehen es vorzüglich, diesem intensiven Lebensgefühl eine unsentimental klare Sprache zu geben, die zudem eine ganz besondere Poesie entwickelt, wenn sie zwischen den Mythen des Landes und den uns bekannten Wert- und Erkenntnisvorstellungen changiert. Ein wichtiges Buch, nicht nur weil sich damit über den eigenen Tellerrand blicken lässt, sondern weil es auch angesichts der bei uns wieder nachlässig gewordenen Haltung von Jugendlichen gegenüber den Ansteckungsgefahren mit HIV von bestürzender Aktualität ist.
Weitere Besprechungen zu Werken von Henning Mankell siehe:
Büchernachlese-Extra: Henning Mankell