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Das Sonderprospekt zum 50. Jahrestag des Suhrkamp Verlages verweist nicht ohne berechtigten Stolz auch auf das umfangreiche Sach- und Fachbuchprogramm, das stets aufs Neue den Hochschulkanon erweitert. Adorno, Bloch und Habermas - in diesen Reigen gehört gewiß auch Niklas Luhmann.
Noch kurz vor seinem Tod hatte dieser namhafte Soziologe an dem Manuskript 'Die Religion der Gesellschaft' gearbeitet, das als weiterer Mosaikstein seines Gesamtoeuvres der 'Sozialen Systeme' konzipiert war. Um es völlig abzuschließen, fehlte laut André Kieserling nur noch ein 'winziges Mehr an Lebenszeit'. Kieserling hat sich der zuletzt vorliegenden Fassung Luhmanns angenommen und sie derart behutsam kongenial redigiert, daß nun bei der Lektüre keineswegs der Eindruck eines unvollständigen Werkes aufkommt.
Das erste von neun Kapiteln fragt nach der 'Sinnform Religion' und führt u.a. aus, daß im Fall der Religion weder 'analytische' noch 'ontologische' Herangehensweisen sinnvoll sind, da das eine zu religionsnah, das andere zu religionsfern operiert. Nach dem Medium 'Sinn' von Religion zu fragen, eröffnet dagegen die Möglichkeit, Differenz-Formeln von 'Unterscheidungen' zu entwickeln, die z.B. auch das Paradoxon des beobachteten Beobachters miteinschließt, der sich selbst ja niemals völlig frei von religiösen Affekten sehen kann. (Diese Feststellung dürfte nicht zuletzt die Berlin-Brandenburgische Kirche freuen, die im Streit über die Erteilung eines 'bekenntnisfreien' Ethik- und Lebenskundeunterrichtes ja stets seine Unmöglichkeit konstatiert hat.) Weitere Kapitelüberschriften sind dann die notwendige 'Codierung' der Sinnform Religion, 'Die Funktion der Religion', 'Kontingenzformel Gott', 'Die Ausdifferenzierung religiöser Kommunikation', 'Religiöse Organisationen', 'Evolution der Religion', 'Säkularisierung' und 'Selbstbeschreibung'. Hieran schließt sich dann noch ein sehr nützliches Register an.
Noch einmal: Dieses Werk richtet sich zuallererst an ein entsprechend fachsprachlich vorgebildetes Publikum. Nichtsdestotrotz ist selbst für den stockend weiterblätternden, 'nur' interessierten Laien erkennbar, wie genau Luhmann hier nach exakten Begriffen und Zusammenhängen suchte und damit beim geduldigen Leser spannende Fragestellungen zu eröffnen und neue Impulse freizusetzen vermag.