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Norbert Kutschki (Hg.)

Wenn es das Christentum nicht gäbe

Anthologie. Echter Verlag, Würzburg 1996, 87 S., ISBN: 3-429-01786-6, >>> Amazon
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Das Lamento über den Schwund kirchensteuerzahlender Mitglieder wurde bisher nur mit zweifelhaft wirkungsvollen Sparmaßnahmen beantwortet. Ein Konzept, wie Anspruch und Wirklichkeit der Frohen Botschaft wieder zu einem ernstgenommenen Bestandteil öffentlicher Auseinandersetzungen werden könnte, steht nach wie vor aus. Unter der rhetorischen Fragestellung WENN ES DAS CHRISTENTUM NICHT GÄBE versammelte Norbert Kutschki nun die Beiträge von fünf ordentlichen, vornehmlich katholischen Theologie-Professoren, um die "Leistungen" des Christentums für die Gemeinschaft der Menschen ins rechte Licht zu stellen. Um es gleich vorwegzunehmen: Nur der letzte Beitrag hat das Thema nicht verfehlt.
Ganz abgesehen davon, daß sie konsequent überheblich die katholische Kirche mit die Kirche gleichsetzen, setzen vor allem die ersten beiden dogmatische Behauptungen mit beweiskräftigen Schlußfolgerungen gleich und scheren sich einen feuchten Kehrricht um die Meinungen anderer, solange diese nicht ihre Positionen zu untermauern scheinen. Da wird die Forderung christlicher Nächstenliebe den gegenwärtigen Symptomen von Sinnleere und Orientierungsnot gegenübergestellt, aber kein selbstkritisches Wort darüber verloren, inwiefern vielleicht gerade auch die Kirchen an den Symptomen wachsender Lieblosigkeit die Verantwortung tragen. Da wird über das Leben referiert und dabei insbesondere mit dem römischen Philosophen Boethius aus dem 6. Jahrhundert argumentiert, und fertig ist ein Artikel gegen die Abtreibung, der einmal mehr sich noch nicht einmal die Frage nach dem Schutz des bereits geborenen Lebens stellt.
Der dritte Beitrag von Richard Heinzmann sieht die Menschenrechte vom Christentum inspiriert und findet sogar ein paar kritische Worte zu Papst Pius dem IX., der sich einst entschieden gegen die Menschenrechte ausgesprochen hatte. Jetzt einmal hingeschrieben, solle man dann aber auch nicht mehr länger daran rühren, sondern habe das "grundsätzlich als erledigt (zu) betrachten". Erst im letzten Absatz fragt Heinzmann dann wieder: "Wie steht es aber mit den Menschenrechten in der Kirche? Wie geht man mit den Menschen und ihren Problemen um?" - Einmal mehr ein vergeblicher Versuch zu scheiden, was im Bewußtsein der Menschen nicht voneinander zu trennen ist.
"Über das unverwechselbar Christliche" von Hans Waldenfels zeichnet sich durch schlüpfrige Ambivalenz aus. Wenn Waldenfels z.B. anfangs das Kreuz Jesu als Siegeszeichen zu "Heidenvölkern" und zu den Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Form des EK I finden läßt, weiß man nicht, ob das nun ironisch oder ernst gemeint ist. Es seien hier gutwillig jene Aussagen hervorgehoben, in denen er die Mißachtung des Christentums vor den und dem Fremden kritisiert und die Forderung stellt, daß "das Christentum seinen Ort in der pluralistischen Welt neu bestimmen" muß.
Eugen Bisers Beitrag endlich ist im besten Wortsinne anstößig. Bemerkenswerterweise formuliert der Nestor (Jg. 1918) unter den durchschnittlich 60-jährigen den Titel "An der Schwelle zum dritten Jahrtausend", um dann - jedenfalls für manch katholischen Würdenträger - mit geradezu ketzerischen Positionen der Mystik das Wort zu reden. So sieht er Säkularismus und Aufklärung "keineswegs als eine Ausgeburt der Hölle", sondern als eine "kritische Folgeerscheinung des Glaubens, die wesentliche Motive der Jesusbotschaft wie Freiheit, Solidarität und Toleranz in Profanbereiche eindringen ließ, die nur auf diesem Umweg erreicht werden konnten." Das Christentum müsse sich auf seine Identität und seine sinnstiftende Kraft besinnen. Danach ist das Christentum keine asketische, sondern eine therapeutische, keine moralische, sondern eine mystische Religion. Ferner ist es im Gegensatz zum Islam keine primäre, sondern eine sekundäre Schriftreligion, da ihre Evangelien nur "dem Hörensagen nach" berichten. Jesus wurde zum größten "Revolutionär" der Religionsgeschichte, weil er "den Schatten des Angst- und Schreckenerregenden aus dem traditionellen Gottesbild zu tilgen" vermochte. Das Vorbild Jesu meint demnach vor allen Dingen das Herabsteigen "vom Podest des Herrentums, um das Freundschaftsverhältnis zu erneuern, das er seiner Jüngergemeinde zusprach". Auch wenn oder gerade weil das an die Thesen von Eugen Drewermann erinnert, schlagen aus diesem Beitrag noch die hellsten Funken.

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