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Geschafft! Der fünfte und damit letzte Band der Kabarett-Bibliothek
von Volker Kühn liegt vor. "HIERZULANDE: Kabarett in dieser Zeit ab
1970" repräsentativ zu veranschaulichen, forderte vom Herausgeber
einiges ab. Die zeitliche Distanz zu den Texten ist relativ gering (die
KollegInnen leben ja Gott sei Dank zumeist alle noch), mit der Vereinigung
ist das "Feld" weit größer geworden, und die "Zeiten"
sind schon wieder so, das man eigentlich nur noch alte Klassiker rezitieren
... oder gleich aus der Zeitung vorlesen möchte.
Allein das Nachlesen der realen Satiren, z.B. das Protokoll des Telefonates
von Ottfried Fischer in der Rolle des F.J.S mit dem weiland amtierenden
österreichischen Bundespräsidenten Waldheim ist atemberaubend
- vor Lachen oder Verzweiflung, sei einmal dahingestellt. Das gilt auch
für das Gespräch Tomayer alias Luis Trenker mit Ernst Jünger.
Reiner Genuß dagegen das legendäre Talkshow-Intermezzo zwischen
Wolfgang Neuss und dem Noch-nicht-Präsidenten von Weizsäcker.
Nicht nur für den "Wessi" hilfreich sind auch die Texte
aus der ehemaligen DDR, fein abgestuft von "nach der Generalprobe verboten"
über "noch erlaubt" und "dem Sozialismus gehorchend".
Von den 9 Kapiteln sind 3 den DDR-AutorInnen gewidmet und eines, das letzte,
ist logischerweise "gesamtdeutsch". Eindeutige Minderheit sind in
dieser Auswahl weibliche Autoren. Die wenigen Beiträge u.a. von Lisa
Fitz, Hannelore Kaub, den Misfits und Inge Ristock sind allesamt brillant.
Vielleicht gibt es ja wirklich noch nicht so viele Autorinnen?! Im Gegensatz
zu den vorangegangenen vier Bänden gerieten die Essays zwischen den
Kapiteln mit jeweils einer Druckseite sehr knapp. Das ist schade, hat aber
vielleicht mit der obenerwähnten fehlenden Distanz zu tun. Vorbildlich
dagegen wieder der Anhang mit seinen Hintergrundinformationen zu den Stücken
sowie den Kurzbiographien der im Buch vertretenen AutorInnen. Insgesamt
leisten diese fünf Bände höchst wichtige Zeugenarbeit -
kulturell sowieso, aber auch als Vitamin politischer Bewußtseinsbildung
sollten sie in keiner Hausapotheke fehlen.
Interview und weitere Besprechungen zu Werken von Volker Kühn siehe:
Textenetz: Volker Kühn