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Büchernachlese-Extra: Kabarett-Autoren
Textenetz: Volker Kühn

Volker Kühn (Hg.)

Deutschlands Erwachen

Kabarett unterm Hakenkreuz. Quadriga, Weinheim-Berlin 1989, 380 S., ISBN: 3-88679-163-7, >>> Amazon
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"Das muß den ersten Seelord doch erschüttern!
Lügt er auch, lügt er auch wie gedruckt!"

Die Parodie auf "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern"wurde, wie das Original, von dem Filmtrio Brausewetter-Sieber-Rühmann "dargeboten". Der Anlaß war die Ehrung in Anwesenheit Goebbels von U-Boot-Komandant Prien, dessen U 47-Besatzung im Oktober 1939 das britische Schlachtschiff Royal Oak versenkte.

"Die Royal Oak bleibt nicht allein,
Wir schicken andre hinterdrein!"

Die Kleinkunst, das Kabarett (über-)lebte unterm Hakenkreuz.
Eine Tatsache, die nur wenige, wie bis vor kurzem noch Wolfgang Neuss, bestätigen können ... und wollen. Die stillschweigend ausgemachte Formel DAS KABARETT WAR ZU DER ZEIT TOT, könnte nur ein Zyniker heftig bejahen, denn da, wo es bis zum bitteren Ende am heftigsten gegen den Wahnsinn gefochten hatte, lief es ins Leere: Sei es im immerhin (vorerst) Leib und Leben rettenden, aber suizidgefährdenden Exil, sei es in den KZ's.
Erst ab 1940 gab es z.B in England für einige deutsche KabarettistInnen wieder die Möglichkeit Satire gegen Nazideutschland einzusetzen. Alle anderen mußten sich nach der Decke strecken, wollten sie nicht in die Rüstungsbetriebe, an die Front oder eben ins KZ. Aber nicht jeder ließ sich wie Weiß Ferdl, Die Drei Rulands oder Friedrich Luft direkt in die Propagandaüberlegungen von Göbbels miteinbeziehen. Die Mehrheit wich ins scheinbar Harmlose aus und unterstützte dafür den propagandistischen Nebenzweig der berühmt-berüchtigten "KdF"(Kraft durch Freude)-Maschinerie.
2 Jahre mußte der Herausgeber Volker Kühn z.T. auch im Ausland recherchieren.
Die 11 Kapitel von DEUTSCHLANDS ERWACHEN / KABARETT UNTERM HAKENKREUZ 1933-1945 belegen die Vorahnungen, die im Rückblick zum ABGESANG AUF KOMMENDE ZEITEN wurden, den mutigen WITZ ALS WIDERSTAND, der später nur noch ZWISCHEN DEN ZEILEN abzulesen war und im DREIMAL KURZ GELACHT des KdF-"Frohsinns" endete. Für letzteres Kapitel fanden sich bezeichnenderweise weniger und wenn, dann nur sehr mühsam einige Zeugen. Dem stand gegenüber, daß Volker Kühn den Überlebenden des Exils und der KZ's erst seine Vertrauenswürdigkeit beweisen mußte, denn diese fragten sich zurecht, warum erst so spät ihrer Erfahrungen gedacht wurde.
Volker Kühn, der seine Satiren u.a. Dieter Hildebrandt und Wolfgang Neuss in den Mund gelegt hatte, legt mit dieser Anthologie den Finger auf eine offene Wunde. Zum einen erbringt er den Beweis für etwas, was eigentlich auch logisch zu schlußfolgern wäre: Auch die KabarettistInnen waren seinerzeit "nur Menschen". Zum anderen ermöglicht er den heutigen Medienclowns einen Anschauungsunterricht in Sachen engagiertes, über den Kuchentellerrand schauendes Kabarett. Abgesehen von der BOMBENSTIMMUNG "humoriger" KdF-Unter-Halter, die mit 2 Kapiteln zwar nicht repräsentativ aber ausreichend vertreten sind, wurden hier Texte aus der Versenkung gehoben, die von zeitloser Brillianz sind.
Wie in den vorangegangenen zwei Bänden stattete V.K. die Kapitel mit kompetent, liebevoll-engagierten Essays aus und ergänzte die Texte im Anhang mit z.T. verblüffenden Hintergrundinformationen sowie den Kurzbiographien der im Buch vertretenen AutorInnen. Die Bibliothek im Allgemeinen, aber dieser Band ganz besonders verdienen höchste Aufmerksamkeit. Die diversen Preisvergeber wären gut beraten, es für die engere Auswahl in Betracht zu ziehen. Oder gilt noch immer die 2. Strophe aus Werner Finks "Gang durch die Kuhherde" (1934)?

"Wenn sie wollten, könnten sie mich
überrennen,
Doch sie werden nicht dran denken,
Da sie
Quasi
Gar kein Denken kennen.
Außerdem sind sie nicht abzulenken."

Interview und weitere Besprechungen zu Werken von Volker Kühn siehe:
Textenetz: Volker Kühn

Buechernachlese © Ulrich Karger


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