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TRISTAN UND ISOLDE ist ein mittelalterlicher Roman, verfaßt etwa
um 1200 von einem Gottfried aus Straßburg, beendet von Ulrich von
Türheim um 1290.
Dieter Kühn ist nun eine ausgezeichnete Übertragung dieses
Werkes in eine heutige, nachvollziehbare Sprachregelung gelungen.
Isolde, die nach einem dramatischen Friedensschluß zwischen Irland
und Cornwall die Frau Markes, des Königs von England werden soll,
trinkt versehentlich gemeinsam mit Tristan, dem edlen Ritter ohne Furcht
und Tadel, von dem Wein, der eigentlich für sie und Marke bestimmt
war: Ein Liebestrank, der der geplanten "Vernunftehe" dauerhaftes
Glück bescheren sollte. So aber verfallen Tristan und Isolde in eine
Leidenschaft zueinander, die sich an der geforderten "tugendlichen"
Treue zu dem Ehemann und König reiben muß und schließlich
den Tod der beiden bewirkt.
"Wer liest, wer sich erzählen läßt/ von derart reiner
Liebe, Treue,/ dem werden, wenn er liebt und treu ist,/ Liebe, Treue lieb"
Der Reiz dieses Romanes liegt aber auch gerade darin, daß er
neben den ergreifenden, nichts prüde kaschierenden Liebesszenen immer
wieder ironische, z.T. sogar zynische Distanz zu seinem Sujet findet.
"Tristan in der Fremde?! Ja,/ er saß und schluchzte dort -/
wenn was passiert, so können/ junge Leutchen nur noch weinen .../"
Der ursprüngliche Autor Gottfried tritt als Erzähler in Erscheinung,
der einen uralten Stoff nach den Wirklichkeiten seiner Zeit ausrichtet,
bestimmte märchenhafte "Zufälle" nicht einfach akzeptieren
mag und sie deshalb zwar erwähnt, aber dann in die ihm gemäße
Logik ein- und umbaut.
Daß dieser Roman in Versen gehalten ist, vergißt man schnell.
Zum einen, weil Kühn auf eine Reim-dich-oder-ich-freß-dich-Übertragung
verzichtet hat, zum anderen, weil die dadurch eingehaltene Zeilenkürze
das Lesen des gefällig rhythmischen Textes zudem erleichtert.
Bevor dieser Roman verschlungen wird, sollte auch das Vor- und Nachwort
von Dieter Kühn genossen werden. Ohne Eitelkeit und in flüssiger
Sprache nimmt er die Leser bei der Hand und führt sie in die Eventualitäten
jener Zeit und des Gottfried ein, von dem außer dem Romanfragment
nichts überliefert ist.
Germanisten sollten vor Kühns Leistung den Hut ziehen, Wagnerianer
könnten endlich verstehen, was ihnen zu Bayreuth bombastisch um die
Ohren gewirbelt wird, und wir Normalsterblichen finden endlich einen lustvollen
Zugang zu einer der schönsten Liebesgeschichten aus alter Zeit.