buechernachlese.de
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Ein Buch mit Geschichten soll es sein? In einer Sprache, die mit mehr
als den 600 Standardwörtern wuchert und dennoch weit mehr als nur
lehrduselig selbstverliebtes Geschwätz "versucht"? Und möglichst
in jedem Absatz eine Pointe, die auf der Klaviatur der Gefühle auch
die Töne zwischen Moll und Dur anzuschlagen weiß? Von tragisch
gestreift bis schwarzhumorig gekichert?
Dann hineingeblättert in das Buch von Sabine Küchler!
Der lindgrün papierene Einband aus der Farbpalette der edition
suhrkamp tarnt ein preisverdächtiges Prosadebüt von erstaunlicher
Intensität. IN MEINEM LETZTEN LEBEN WAR ICH DIE CALLAS steht als Titel
neun Erzählungen voran, deren Rhythmen einen schnell bis zur letzten
der 105 Seiten davontanzen ließen, wäre da nicht in nahezu jedem
Absatz noch etwas nachzuschmecken und nachzuspüren, das einen in seiner
schnörkellosen Genialität verblüfft hat.
"Janein, klagt Brause der Muschel sein Leid. Und lamentiert virtuos
auf dem Grundton: WirkleinenLeutekönnensnichtändern. Brauses
große Fuge in Ach."
Freunde und Freundinnen, Bekannte und Anverwandte ... die Familie nicht
nacheinander in der Chronologie des Kennenlernens erzählt, sondern
gleich dem zusammengelauschten Puzzle eines Kindes in-und nebeneinandergeschachtelt,
so daß man nicht mehr weiß und auch gar nicht mehr wissen will,
was war zuerst, die Wahrheit oder die Lüge? Von der Wirklichkeit ganz
zu schweigen!
"Und unsere Haut erst, unsere Gesichter - über und über
bekritzelt. Du solltest uns sehen: wir sind tätowiert wie Krieger
mit Familiengeschichte."
Diese lyrischen Auflösungserscheinungen weiß Sabine Küchler
aber durchaus in so prosaischen Plots einzubinden, wie dem von jener Frau,
der ein Radiosender geschenkt wurde, den allerdings nur ihr Mann empfangen
kann oder dem über Daphne, die erst Modell dann pfandflaschensammelnd
auf der Straße war (oder umgekehrt?).
Also hineingeblättert und sich überraschen lassen von dem,
was weder Fernsehen noch Video noch Kino zu bieten vermag!