buechernachlese.de
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Sind wir wieder soweit? Wollen die öden Geisteslandschaften von
Yuppies und Technokraten mit einer mystisch-mytischen Geisterwelt abgefüllt
werden?
Vorliegender Band könnte ein heilsames Gegenmittel darstellen,
sofern noch ein Minimum an Selbstbewußtsein und Denkbereitschaft
vorauszusetzen ist. Selbstbewußtsein vor allem auch einem Sachbuch
gegenüber - denn einige Kapitel zollten entweder der wirklich sehr
spezifischen (esoterischen) Thematik oder/und dem sprachlichen Unvermögen
intellektuellen Spezialistentums ihren Tribut und werden dementsprechend
wiederum nur von solchen Spezialisten entziffert werden können. Das
Gros der 20 Beiträge aber verschafft auch dem interessierten Laien
ein 'geistiges Abenteuer', das ihn um manch bemerkenswerte (Er-)Kenntnis
reicher entläßt. Das Hauptanliegen dieses Sammelbandes ist in
dem klaren Unterscheiden und dem überraschenden In-Verbindungsetzen
von Gnosis und Mystik zu suchen. Denn die philosophische Mystik eines Origines
hat nichts mit dem "mühelosen Genuß des eigenen Selbst im
Austausch mit irgendwelchen mystischen Weltgeistern" zu tun. Ebenso
ist eine Trennungslinie zwischen dem Gnostizismus des 1. und 2. Jhdts,
der sich als Fusion von Christen-, Juden- und Heidentum darstellt, und
der Gnosis zu ziehen, die versucht, den Inhalt der biblischen Religion
im Denken zur Darstellung zu bringen (=jüd. v. christl. Theosophie).
Die Überzeugung der christlichen Gnosis von der Wesensverwandtschaft
der Seele mit Gott teilen die Platonische Lehre, die Thomistische Philosophie,
der Deutsche Idealismus und noch die psychologische Gnosis C.G. Jungs."
Tatsächlich wird so manches Vorurteil zu Grabe getragen werden
müssen, z.B. auch jenes, Meister Eckhart sei der Mystiker schlechthin.
Oder noch eklatanter: Christentum und Philosophie seien wie Feuer und Wasser
zu scheiden. Das Gegenteil wird hier von Philosophen als wahr erkannt.
Gerade in der christlichen Gnosis läge ein bisher unentdecktes Potential
zur Wiedervereinigung der christlichen Konfessionen! Und bei Oetinger,
Anfang des 18. Jhdts, könnte selbst die religiöse Surrogat-Bewegung
des New Age schon von'Ganzheit' und "Ganzheitlichkeit' lesen.
Mit den, beginnend mit Plato, genannten Vertretern gnostischer oder/und
mystischer Erkenntnistheorien läßt sich aber offenbar kein gerader
Turm aufbauen, sondern deren Denken (und lobenswerterweise z.T auch deren
Biographien) muß man erkunden wie einen Arm des Nildeltas, um es
näher bestimmen zu können. Sehr hilfreich (und längst nicht
üblich) sind dafür auch die zumeist übersetzten Originalzitate.
Dieses Buch kostet Kraft, aber die Mühe lohnt sich für jeden,
der sich gegen die allgegenwärtige Beschränktheit unserer Tage
auflehnt und dafür über seinen/ihren Tellerrand schauen will.