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Sheila Kohler

Atemnot

Roman. Klett-Cotta, Stuttgart 1992, 168 S., ISBN: 3-608-95790-1, >>> Amazon
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Die namenlose Ich-Erzählerin in Sheila Kohlers Roman ATEMNOT beherrscht die Kunst des Verdrängens. Die Tötung eines einst gleichaltrigen Mädchens war ihr nicht des Erinnerns wert. Erst Jahre später, als ein ihr lästiger Mann sie auf das getötete Mädchen anspricht, erlaubt sie dem Geschehenen ans Bewußtsein zu treten und befreit sich damit von Kopfschmerzen und Atembeschwerden.
"Der Friede des frühen Morgens durchrieselte mich. Was machte es denn am Ende aus, daß dieses eine Leben verloren war, daß dieses junge Mädchen gestorben war, während ich weitergelebt hatte? Ganz gewiß machte es nicht das geringste aus."
Ein solcher Mensch kommt in der Literatur nur selten so ausführlich zu Wort. Die weiße Frau aus Südafrika mit dem Hintergrund einer feudalherrschaftlichen Erziehung gesteht nicht, sondern lebt bis zuletzt ihre scheinbar gewissenlose Gemütsverfassung aus. Was mit anderen geschieht, betrifft sie nicht. Sie handelt, wie es ihr in den Sinn kommt, ohne sich um Konventionen zu kümmern. Es scheint, als wäre sie die personifizierte Unschuld des Bösen, wären da nicht spannungsgeladene Widersprüche, die die Autorin unaufdringlich einzufließen lassen versteht. Da ist z.B. die Gabe der Ich-Erzählerin, in aller Präzision zu sondieren, d.h. der Vorgang des scheibchenweise Erinnerns wurde in eine geradezu poetische Kunstform gebracht. Dies bewirkt eine drastische Steigerung der scheinbaren Ungeheuerlichkeit dieser Erzählerin. Scheinbare Ungeheuerlichkeit, denn diese Ich-Erzählerin ist kein Ungeheuer. Ihre Lebensweise ist der unbewußte Reflex eines Kindheitstraumas, natürlich - aber wie das alles in diesen Monolog eingebunden wird, ist schlicht atemberaubend.
Sheila Kohler hat uns mit ihrem Romandebut ein Meisterwerk vorgelegt, das von Karen Nölle-Fischer ebenbürtig in eine wunderbare Poesie des Grauens übersetzt wurde.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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