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Wer u.a. Sachbücher nur nach dem Klappentext erstöbert, wird
von KINDER DIE ANDERS SIND positiv wie negativ enttäuscht werden.
Dies ist kein Buch, daß Eltern hier in der BRD und Westberlin
konkrete Hinweise über hiesige Institutionen, Initiativen o.ä.
geben kann, denn es ist die Lizenzausgabe eines Elternreports
über 11 behinderte Kinder aus der DDR. Aber genau darin besteht
auch die doppelsinnige Richtigkeit und Wichtigkeit
des Buchtitels. Hüben wie drüben müssen die Eltern
wegen ihrer Kinder eine Menge durchmachen, und
in beiden Staaten und Systemen sind es weniger die psychischen und
physischen Belastungen, die die Kinder direkt verursachen,
sondern es ist das Umfeld, das anscheinend mit geradezu borniertem
Unverständnis an alles und jeden herangehen muß (bzw.
davor die Augen verschließen muß!), was oder wer anders ist.
Drei von den elf Interviewten sind alleinerziehende Mütter,
die zudem unter den Vorurteilen der Kindes-Väter
zu leiden hatten. Die an Erziehung, Bildung und entsprechend ausreichenden
Wohnverhältnissen privilegierten Eltern dagegen haben es jedoch
gelernt, ihre berechtigten Anliegen offensiv einzuklagen und machten
dann auch die Erfahrung, daß sich aus einer Ehenotgemeinschaft
eine stabile, "liebenswerte" Partnerschaft entwickeln
konnte. Nicht trotz, sondern wegen und mit dem
"behinderten" Kind (Die Anführungszeichen deshalb,
weil der in der kapitalistischen oder planwirtschaftlichen
Leistungsgesellschaft funktionierende Mensch, dieses Funktionieren
zumeist doch auch mit "Behinderungen" an
sich selbst bezahlen muß, oder?).
Was in dem Report und der theoretischen Kurzübersicht
im Anhang für die nähere Zukunft (Erstauflage
1981) noch erhofft werden muß, hört sich angesichts
der bei uns populär gewordenen Diskussion um Integrationsmodelle
teilweise nach pädagogischer Steinzeit an. Der auf unsere
Behörden vertrauende und abschiebende
Mensch, sollte aber auch den Unterschied zwischen Stadtmetropole
und Land sowie zwischen Diskussion und die Dauer der Umsetzung solcher
Diskussionen bedenken. Nicht nur die derzeitigen Streiknotwendigkeiten
beim Pflegepersonal unserer Krankenhäuser lassen da abgrundtief
blicken ...
"Dieses Buch vermittelt Antworten, die Mut machen"
- es sind die vergewaltigte Natur und ab jetzt
vielleicht auch die unterschätzten "Schwächsten" unserer
beiden Gesellschaften, die über die Grenzen hinweg den Erfahrungsaustausch
zur Annäherung christlich-sozialer oder/und sozialistischer Ideale
eröffnen könnten.
Dazu hätte der Kleinverlag dieses Buch allerdings
mit einem kritisch vergleichenden Kapitel über
die Situation bei uns ergänzen sollen, anstatt
wie ein Großverleger nur die ökonomischen Vorteile
einer Lizenzausgabe vollends auszuschöpfen.