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In seinem neuen Roman schildert Klaas Huizing ein Erlebnis, das
die letzten Lebensjahre dreier Männer aufs Engste verquicken und am
Ende aus gemeinsamen Streitern erbitterte Konkurrenten machen sollte.
Die distanzierte und zugleich symbiotische Beziehung zwischen Immanuel
Kant und seinem Diener Martin Lampe ist ja hinlänglich in so mancher
Anektdote überliefert worden. Von Johann Georg Hamann, dem "Magus
des Nordens", ist dagegen nachzulesen, daß er als scharfsinniger
Kritiker der Aufklärung die "Sturm und Drang"-Epoche sowie
die Romantik inspirierte - und damit ein Gegner von Kants rational begründeter
Philosophie war.
Die Heftigkeit dieser Gegnerschaft und auch die vorzeitige Entlassung
Lampes aus dem Dienste Kants kam jedoch nicht von ungefähr, sondern
hinterließ sogar noch im Sarge Kants eine Spur. Aber der Reihe nach:
"Das Ding an sich" ist eine Tonscherbe, die Hamann von einem russischen
Gesandten angeboten, ja geradezu aufdrängt wird. Nach all den erfolglosen
Geschäften als Handlungsreisender scheint das Risiko gering, unterstreicht
der Gesandte doch sein Angebot mit der vollständigen Begleichung von
Hamanns keineswegs geringen Schulden. Aber schon bald bereut Hamann die
Annahme dieser Scherbe. Sie hat zuletzt Russland Unglück gebracht
und nun auch ihm. Auf der Scherbe wäre nämlich der Handabdruck
Adams eingeprägt, der damit wiederum ein Gespräch mit dem Teufel
besiegelt haben soll. In seiner Not wendet sich Hamann an seinen früheren
Mentor Kant. Der schickt sogleich seinen Diener Lampe los, dieses "Ding"
und damit auch den Aberglauben Hamanns zu zerstören. Aber so einfach
ist das gar nicht.
Wie in seinem ersten, übrigens preisgekrönten Buch "Der Buchtrinker"
nutzt Klaas Huizing das Pfund seines offenbar schier überbordenden
Wissens. So vermag er auf der Grundlage historisch bezeugter Personen und
Textauszüge ein überzeugendes Vexierspiel mit eingestreuten Versatzstücken
und Fiktionen zu beginnen - überzeugend gerade in seinem Aberwitz,
der die "reine" Theorie mit einem Mal sehr anschaulich in Fleisch
und Blut daherkommen läßt. Und dieses Fleisch und Blut ist alles
andere als frei von solch niedrigem Gehabe wie Eifersüchtelei und
Intrigantentum.
Im Gegensatz zum collagierten Aufbau des Vorgängers ist "DAS DING
AN SICH" nun scheinbar mühelos aus einem Guß geformt und die
Handlungsträger, insbesondere Martin Lampe, sind so griffig gezeichnet,
daß auch nicht studierte Philosophen sich für sie interessieren
werden. Das alles auf dem Rücken nur eines, aber durchaus ernsthaften
Grundproblems - eine Verdichtung, die dem Autoren sicher Zurückhaltung
abverlangte, dem Buch jedoch ungemein gut bekommen ist. Das Beste aber
ist einmal mehr die sprachliche Virtuosität Huizings, mit der er ironische
Wendungen und Brechungen punktgenau zu setzen weiß. Da wird das Zwerchfell
wechselweise auf der Stelle oder dank wohldosiert sickernder Pointen auch
erst einige Seiten später, aber dafür umso heftiger beansprucht.
Interview und weitere Besprechungen zu Werken von Klaas Huizing siehe:
Textenetz: Klaas Huizing