buechernachlese.de
|
Nun also das zweite "dicke" Buch vom "fahrenden Poeten"
und "Großmeister der Kleinkunst" Hanns Dieter Hüsch.
Diesmal keine Autobiographie mit Textbeilage, sondern eine Art Roman-Collage.
Seine "Geschichten zwischen Himmel und Erde", stehen nicht lose für
sich, sondern sind von einer Rahmenhandlung umgeben in den Zusammenhang
eines übergreifenden Spannungsbogens gesetzt. Gegliedert in drei Teile
beginnt es mit der "Anreise": "Hast du deine Zahnbürste/ Sagte
meine Frau/ Ja sagte ich/ Hast du deine Schrundensalbe für die Füße/
Ja sagte ich/ Ich denke schon/ Du hast also nicht/ Im Himmel kriegt man
bestimmt/ Auch Schrundensalbe/ Für die Füße/".
Der gesammte Text ist großzügig wie ein Gedicht gesetzt.
Wer den Hüsch nur ein wenig im Ohr hat, liest und hört seinen
Tonfall gleich mit, und tatsächlich... die Reise geht in den Himmel
zum "lieben Gott". Den hatte er kennengelernt, als Gott seine Schwester
in Dinslaken besuchen wollte, aber zuvor vom Fahrrad Hüsch beinah
vor die Füße gefallen wäre. Gott hat ihn dann eingeladen,
ihn doch einmal zu besuchen und ihm einiges vorzulesen. Dafür müßte
er auch nicht sterben, und wenn er "(..) ein zweites Mal käme/
Wäre es wie ein Besuch bei Omma und Oppa/". Bei seinem "Aufenthalt"
im Himmel - wo übrigens wegen des Platzmangels doch nicht geflogen
wird, wie Hüsch erst dachte - trifft er seine Liebsten und Freunde
u.a. Frieda, Kay und Lore Lorentz, seine Katzen und auch sein Alter ego
Hagenbuch. Manche reden mit ihm, als hätte es da nicht den Schnitt
des Todes gegeben, andere erkennen ihn nicht mehr ...
Die "Rückreise"
wird dann noch von dem Angebot Gottes gekrönt, ihm einen gebrauchten
Heiligenschein zu schenken. Wie bei seinen Auftritten wechselt Hüsch
virtuos die Tonarten vom slapstickartigen Dur zu einem anrührenden
Moll, um alsbald wieder ganz niederrheinisch sich und uns den Spiegel vorzuhalten.
So läßt er zwar Gott über den Papst und die kirchlichen
"Institutionen" im allgemeinen die Stirn runzeln, um dann aber Choräle
dazwischenzusetzen, denen man wünschte in den kirchlichen Kanon aufgenommen
zu werden. Die z.T. früheren Programmen entnommenen Zwischentexte
erhalten in diesem Kontext eine ganz neue Brisanz. Hüsch beweist mit
seinem Buch den Mut des unverbissenen Aufgeklärten und seine Art,
Gottes Liebe zu beschreiben, ist keineswegs mit "Friede, Freude, Eierkuchen"
zu verwechseln.
Nachruf und weitere Besprechungen zu Werken von Hanns Dieter Hüsch siehe:
Textenetz: Hanns Dieter Hüsch