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"Zur Tragik ihrer Situation gehört es, daß diese Schriftsteller
(..) sich in das Ghetto der Bezeichnung junge Generation verbannt sehen.
Doch auf die Beurteilung jener, welche heute noch unbekannt sind, sollte
weniger das Geburtsdatum maßgeblich sein als die Leistung."
So 1951 Hans Weigel in seinem Vorwort zu seinen Anthologien STIMMEN
DER GEGENWART.
4 Jahre lang bzw. 4 Bücher dick währte leider nur dieser
Versuch "in Worten und Bildern die Gegenwart sprechen zu lassen und
darzustellen."
40 Jahre später nimmt Wolf Harranth, unterstützt vom öster.
Bundesministerium für Unterricht und Kunst sowie dem Kulturamt Wiens,
den Faden Weigels wieder auf, und präsentiert in für Anthologien
dieser Art ungewöhnlich guter Aufmachung eine erstaunlich weitgefächerte
Palette an Texten, die allesamt hohes bis höchstes Niveau erreichen.
Am Anfang sind Texte der "alten Garde" (Ingeborg Bachmann und
Walter Toman) gleichsam als maßstabsetzende Ouvertüre nachzulesen.
Wer nun auf den qualitativen Einbruch wartet, wird angenehm enttäuscht.
Am facettenreichsten ist sicherlich die Alltagsgroteske in all ihren
Abgründigkeiten vertreten, die von verschmitzt à la Schweijk
bis zu rabenschwarz in die Tiefen mitteleuropäischer Kindheiten und
daraus sprießender Erwachsenendaseins zu graben vermag. Martin Krassnig
z.B., bisher noch unveröffentlicht, holte mit seiner BÄRENHATZ
in St.Marenten am Lande (unweit von Schilda!) ein derartiges Bravourstück
aus der Schublade, das den Beiträgen eines Manfred Chobots, einer
Barbara Wiener und den anderen zahlreich vertretenen bereits mit Preisen
ausgezeichneten AutorInnen in nichts nachsteht.
Ob nun der Nachbar die Wand einreißt, um sich weiteren Wohnraum
für seine Nachkommenschaft zu erobern oder ein verwöhnter Liebhaber
von einer Frau aus der Straßenbahn verzaubert wird - alles wird zum
Erlebnis und beweist einmal mehr, daß das Lesen durch nichts zu ersetzen
ist.
Daß zu Beginn auch die "Sponsoren" genannt werden, soll
durchaus als Anreiz für die zumeist am Essentiellen, wie z.B. an der
Kultur sparenden Politiker-und Behördenschaft verstanden sein.
Diese Textsammlung ist jedenfalls allemal seinen Preis wert: Für
soviel anregende Unterhaltung müßte man sonst schon sehr lange
unterwegs sein und noch länger im Fernsehsessel sitzen bleiben.