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Peter Handke

Versuch über einen geglückten Tag

Ein Wintertagtraum. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1991, 90 S., ISBN: 3518403796, >>> Amazon
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VERSUCH ÜBER EINEN GEGLÜCKTEN TAG nennt P.H. seinen nunmehr dritten Versuch, den er auch noch mit "ein Wintertagtraum" entschuldigen möchte.
"... erkenne ich doch immer öfter, und mit immer größeren Zorn, gegen mich selber, wie mit der vorrückenden Zeit mehr und mehr Augenblicke meiner Tage mir etwas sagen, wie ich aber weniger und weniger von ihnen fasse und, vor allem, würdige."
Diesem unserer Zeit und unseren Breitengraden durchaus angemessenen Motiv kommt und kommt P.H. aber nicht auf die Spur, benennt es auch erst auf der Seite 68, um es allerdings sogleich in niederschmetternder Weise wieder zu negieren:
"Ich bin, ich muß es wiederholen, empört über mich, daß ich unfähig bin, das Licht des Morgens am Horizont, welches mich gerade noch hat aufblicken und zur Ruhe kommen lassen (in die Ruhe kommen, steht beim Briefschreiber Paulus), zu halten".
Tatä, Tatä, Tatä!
Auch ein Versuch verlangt in seinem Tasten nach Stringenz, und wenn die dem Autor nicht möglich ist, weil er zu keiner ihn befriedigenden Lösung kommt und er zuletzt den Traum lediglich als Traum anerkennt, dann hätte das Publikum für sein Geld wenigstens einige gelungene Fragmente verdient. Aber dieser Wintertagtraum kommt unverdaut und unüberarbeitet über die gutwillige Leserschaft: Dynamisch-inhaltliche Widersprüche sind von P.H. unkommentiert neben- und nacheinander hingerotzt, will sagen, "angetastet" worden. Sie ergeben kurze, ihrer selbst wegen, hingeworfene Assoziationsstrecken, die ins beliebige Irgendwohin weisen und alles Mögliche, nur keinen wirkungsvollen und glaubwürdigen Bezug zur Welt, zum Leser, zum Thema oder auch nur zum Autor herstellen.
Neben dem wortwörtlichen Übersetzen französischer Idiome, wurden P.H. offenbar auch wortwörtliche Übersetzungen von Paulustexten aus dem Alt-Griechischen zur ebenfalls von ihm unbegründeten Autorität. Aber die wortwörtliche Übersetzung schützt nicht vor Mißverständnissen und Nicht-Verstehen. Auf P.H.s "Und es entspräche der Idee solch eines Tages, statt eines Versuchs, eher die Psalmenform, ein wohl im voraus vergebliches Flehen?", hätte ihm selbst Paulus ein heftiges, verzweifeltes "Das wohl nicht!" entgegengeschleudert und ihn darauf aufmerksam gemacht, daß nur sein Innewohnen in der "Dialektik" des Psalmes ihm auch den von P.H. an den Anfang gestellten Vers an die Römer eingegeben hat: "Der den Tag denkt, denkt dem Herrn!"
Wer sich und andere so wenig ernstnimmt, mußte das Thema zweifach verfehlen, auch wenn Bemäntelungen wie Versuch und Traum als Amulette dagegengehalten wurden: Sein offenbar blindgepicktes Korn auf Seite 68 wollte P.H. nicht schlucken, dafür hält er sich spitzfindig, was P.H. wohl mit ästhetisch verwechselt, an der naiven Suche nach einem absoluten Rezept für planbar geglückte Tage auf, ähnlich wie andere nach Wunschtraumfrauen oder -männern Ausschau halten, weil sie sich nicht auf eine spannungsvolle Beziehung einzulassen vermögen.
Dieses "Buch" ist noch nicht mal langweilig, es ist mit seinen überlangen, selbstgefälligen Wortspielereien in beleidigend schlechter Verfassung. Nur P.H. kann wissen, warum er es nicht in die Schublade für fehlgeschlagene Versuche geräumt hat:
"Ich selber bin mein Feind geworden, zerstöre mir das Licht des Tags; zerstöre mir die Liebe; zerstöre mir das Buch."

Buechernachlese © Ulrich Karger


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