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Es gilt Jochen Kleppers 100. Geburtstag zu würdigen. Viele seiner Lieder sind Teil der katholischen wie evangelischen Gesangbücher und werden nicht zuletzt in der Adventszeit von den Gemeinden gern angestimmt. Dass sein Name nicht nur in Kirchenkreisen so präsent ist, liegt aber vor allem an den tragischen Umständen seines Todes.
Mit Heinz Grosch "Nach Jochen Klepper fragen" ist nicht einfach. Ganz abgesehen davon, dass dieses 1982 erstmals vorgelegte Werk ohne jede Überarbeitung und sinnfällige Aktualisierung auskommen muss, weist der neu formulierte Untertitel "Bilder - Dokumente - Biographisches" in eine falsche Richtung. Zwar werden hier viele Photos und Originalschriftstücke abgebildet, aber das "Biographische" meint vor allem Selbstzeugnisse aus den Tagebüchern Kleppers die von H.G. weniger historisch als vielmehr exegetisch zugeordnet und hinterfragt werden. In der Erstauflage hieß es denn auch weit korrekter, aber wohl nicht werbewirksam genug "Annäherung über Selbstzeugnisse, Bilder und Dokumente".
Doch auch "nur" als Annäherung gibt dieses Buch so manchen Grund zur Wehklage. Besonders in dem einführenden Kapitel, das viel zu gerafft Jochen Kleppers "Äußeren Weg" schildern will, sucht der Autor sich dem Gegenstand seiner Betrachtung derart betulich pastoral anzuschmiegen, dass ein stilblütengepresster Stoßseufzer dem anderen folgt.
Warum dann noch über dieses Buch reden und seine Neuauflage nicht barmherzig verschweigen?
So seltsam einen die exegetische Ausdeutung eines erst im letzten Jahrhundert verstorbenen Menschen anmuten mag, ermöglicht H.G. mit seiner spiralförmigen, viel Geduld erfordernden Art des Hinterfragens durchaus ein Mehr an Verständnis für Jochen Klepper, das eine "echte" Biographie kaum leisten könnte. Dieser Dichter eines so wunderbaren Liedes wie "Die Nacht ist vorgedrungen" hat sich und sein Leben offenbar stets im Angesicht Gottes widergespiegelt gesehen und von daher auch seine zahlreichen Tagebücher wie ein ununterbrochenes Gebet formuliert. Dieses Nachvollziehen hilft sehr, die im Rückblick (allerdings nur im Rückblick!) kaum erträgliche Zögerlichkeit zu verstehen, die ihn sowie seine Frau und deren Tochter anstatt zur rechtzeitigen (und durchaus möglichen) Emigration in den Selbstmord trieb. Und H.G. lässt am Ende nichts aus noch beschönigt er die gleichermaßen widerständige wie opportunistische Einbindung in ein Leben mit und unter dem nationalsozialistischen Regime. So zitiert er auch ausführlich drei zeitgenössische Stimmen, die Jochen Kleppers Verhalten z. T. äußerst scharf verurteilen.
Gewiss nicht für ein erstes Kennenlernen geeignet, provoziert dieses Buch dann doch ein wirklich offenes Nachfragen über Jochen Klepper.