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Büchernachlese-Extra: Günter Grass

Günter Grass

Unkenrufe

Roman. Steidl, Göttingen 1992, 300 S., ISBN: 3-88243-222-5, >>> Amazon
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Mit dem 65. Lebensjahr werden Déja-vu-Erlebnisse nicht mehr besonders angemerkt, sondern hingenommen. Günter Grass nimmt sie aber nach wie vor nicht "einfach" hin, sondern zieht in UNKENRUFE endlich den Schluß, der die Größe seiner Persönlichkeit und seiner erzählerischen Fähigkeiten am besten bezeugt: Ein Mahner zu sein, der nicht nur an der Dummheit seiner Mitmenschen scheitert, sondern auch an der Unauslotbarkeit geschichtlicher Folgen für aktives Handeln. Das enthebt den Kritiker, berechtigte Mahnungen gegen die früher ausgeprägt larmoyante Arroganz des Autoren und Podiumsdiskutanten Grass auspielen zu müssen.
Gerade die gepflegte Selbstironie des Autoren, der sich als im wahrsten Sinne des Wortes hintergründiger Erzähler der Geschichte seines einstigen Banknachbarn Reschke ins Spiel zu bringen weiß, erhöht die Dringlichkeit der UNKENRUFE. Nicht mehr fischig-glatt wie im BUTT, sondern mit feinen Rissen unter seiner scheinbar abweisenden Haut bekennt er widerwillige Anteilnahme und respektable Verletzlichkeit, die den Spruch von der rauhen Schale und dem weichen Kern nicht mehr abgedroschen erscheinen läßt.
Aus dem Fundus chaotischer Wahrscheinlichkeiten bezieht nun Grass seine Protagonisten, u.a. einen Kunstprofessor aus Bochum und eine Vergolderin aus Danzig, verhäkelt wie "zufällig" ihre Schicksale zu einer Liebesgeschichte aus der eine Idee erwächst, die, wie reine Satire sein soll, anstößig ist ... und demnächst sicher bald verwirklicht wird! Als Kontrapunkt zu der Begründung einer "Deutsch-Polnischen Friedhofsgesellschaft", die wenigstens die Leichen an vermeintlich angestammte Plätze zurückführen helfen soll, setzte Grass den Bengalen Chatterjee, der in Danzig mit seiner Rikscha-Produktion ein ungeahntes wirtschaftliches Wachstum freisetzt - mit beiden Ideen spielt Grass virtuos auf der Tastatur des ganz alltäglichen Wahnsinns und bezeugt zugleich in feinsinnig bestechender Sprache den unwiderbringlichen Ort seiner Herkunft: Das Danzig seiner Kindheit.

Weitere Besprechungen zu Werken von Günter Grass und Sekundärliteratur dazu siehe:
Büchernachlese-Extra: Günter Grass

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