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Joey Goebel

Vincent

Roman. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog und Matthias Jendis. Diogenes Verlag, Zürich 2005. 433 Seiten. 19,00 Euro. ISBN: 3-257-06485-3, >>> Amazon
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Das Ende seines Lebens vor Augen, will Foster Lipowitz der unerträglich vervielfachten Sinnentleerung in Popsongs, Kinofilmen und TV-Serien entgegentreten. Als Medienmogul, der durch weltweit unübersehbare Verflechtungen auf alle relevanten Produktionsfirmen den entscheidenden Zugriff hat, vermag er tatsächlich neue Zeichen zu setzen, indem er eine Akademie für hochbegabte Schüler gründet. Jedem Schüler wird ein Manager an die Seite gestellt, der sich um die bestmöglichen Arbeits- und Vermarktungsbedingungen zu kümmern hat. Der Schüler Vincent erweist sich schnell als Begabung der Extraklasse, und dank der Verbindungen von Lipowitz werden seine Drehbücher und Songtexte von den bekanntesten Stars umgesetzt und heben damit den Qualitätsdurchschnitt des "Main Streams" erheblich an. Es könnte ein wunderbares Leben für Vincent sein, wäre sein Manager Harlan nicht auch dazu angehalten, Vincent immer wieder Leid zuzufügen, denn die der Kunstgeschichte abgeschaute Philosophie von Lipowitz kulminiert in der Erkenntnis, dass nur aus Leid große Kunstwerke erschaffen werden. Und so sorgt Harlan dafür, dass der 7-jährige Vincent den Tod seines kleinen Hundes und später immer wieder auf mysteriöse Weise in die Brüche gegangene Freund- und Liebschaften ertragen muss ...
Hinter diesem konsequent durchdeklinierten Zynismus erwartet man eigentlich einen uralten, vom Leben gezeichneten Autor und nicht einen Joey Goebel, Jahrgang 1980, der diesen Roman laut Klappentext bereits als 24-jähriger veröffentlicht hat. Für künstlerisch ambitionierte Anfänger jedweder Couleur sollte dieser Text zur Pflichtlektüre werden - insbesondere wenn sie mit ihrem Talent berühmt werden wollen. Er ist ein brillantes Memento mori über "gemachte Erfolge", die nur sehr wenig dem Zufall überlassen - wie auch bei der Vermarktung dieses Buches.
Denn nachdem man sich durchaus mit haarsträubenden Vergnügen hindurch gefressen hat, keimt am Ende der leise Verdacht auf, sich hier unter Niveau unterhalten zu haben. Der Plot, die Anlage des Buches, die kurz geschnittenen Kapitel - all das beschreibt nicht nur, sondern folgt genau den darin beschriebenen Tabubrüchen eines inszenierten Erfolges.
Der Missbrauch von Kindern ist immer wieder "Stoff" für Krimis oder Dramen - der Missbrauch als "konstruktive Idee" dagegen stellt genau jenen grenzwertigen Tabubruch dar, der Absatz verspricht - auch und gerade wenn es zwischendurch moralische Sentenzen hagelt, die diesen Missbrauch legitimierend herausstellen sollen. Wer eigene Kinder lieben gelernt hat, müsste hierzu schon über einen sehr hohen Schatten springen ...
Was für ein Autor ist das also, der so einen perfiden Plot zu Ende denkt? Ein kinderlos postpubertierender Egozentriker? Einer, dem ähnlicher Missbrauch in der Kindheit angetan wurde?
Was Vincent "erlebt", ist der Wirklichkeit zu gut und zu abgeklärt abgeschaut, als dass es einem 24-jährigen aus Kentucky zuzutrauen wäre. Immerhin verlegt Diogenes auch bereits sehr erfolgreich einen Arnon Grünberg, der bereits als Marek van der Jagt sein pseudonymes Spiel getrieben hat ...

(Nachtrag: Nein, Joey Goebel ist offenbar kein Pseudonym, wie das Fernsehen im Rahmen der Buchmesse zu zeigen vermochte, sondern tatsächlich ein, wenn nicht kunstvoll geliftetes, dann frühreifes Medien-Genie. Man wird lesen. Oder vielleicht auch lieber nicht ...)

Buechernachlese © Ulrich Karger


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