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Büchernachlese-Extra: Kabarett-Autoren

Peter Ensikat

Ab jetzt geb' ich nichts mehr zu

Nachrichten aus den neuen Ostprovinzen. Kindler, München 1993, 367 S., ISBN: 3-463-40214-9, >>> Amazon
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Wenn ich gestehe, vor der Lektüre des Buches von Peter Ensikat wenig mehr als seinen Namen gekannt zu haben, mache ich mich gleich als "Wessi" kenntlich. Denn Peter Ensikat hatte und hat auf bzw. hinter den Kabarettbühnen der "neuen Ostprovinzen" denselben guten Klang wie Dieter Hildebrandt oder Hans-Dieter Hüsch in der "alten Westprovinz".
Der Buchtitel AB JETZT GEB' ICH GAR NICHTS MEHR ZU mit dem Vermerk "Nachrichten aus den neuen Ostprovinzen" ließ mich erst eher skeptisch die Seiten aufschlagen, aber dann...
Jedes seiner autobiographischen Kapitel überschrieb P.E. mit einem "Wieso..." und legt dem Buchtitel zum Trotz die Hinter-und Beweggründe seines Lebens offen. Und so, wie er gekonnt Anekdotisches und fundiert Grundsätzliches vorträgt, erweist sich sehr bald, wie absurd es ist, weiterhin den Unterschied zwischen "Ost-" und "Westprovinzlern" aufrecht erhalten zu wollen. Selbstbewußte, d.h. sich ihrer Stärken und Schwächen bewußte Menschen waren auf beiden Seiten der Demarkationslinie vorhanden ..und auf beiden Seiten in der Minderheit. Und solche Menschen (wie P. E.) lassen sich offenkundig auch nicht durch "die Nachwendezeit" dieser unserer gesamtdeutschen Provinz beirren.
So erfahre ich als "Wessi" natürlich Neues und Anderes, weil jede Biographie ja anders als meine ist und natürlich auch, weil es eine Biographie in einem anderen, wenn auch deutsch-transformierten, System war. Aber so, wie sich nach dem Fall der Mauer auf Anhieb Kongruenzen und Konkurrenzen zwischen Verlierern und Gewinnlern ergaben, fanden und finden Denkende (insbesondere "Andersdenkende") sofort zueinander.
"Ich wurde nicht gelebt, ich habe gelebt. Also habe ich auch höchst eigenmächtig versagt, wo ich versagt habe."
Alles auf das System zu schieben, kommt für P.E. nicht in Frage, auch wenn z.B. der unfreundliche Kellner oder der steuernhinterziehende Handwerker Vorbilder aus dem einen wie dem anderen System nachweisen konnten und können. Wie auch in seinen Anmerkungen zur "sozialistischen Erziehung" will er betonen, daß einem mit Klischees nicht gedient ist, sondern man um den differenzierenden Blick hinter die Kulissen nicht herumkommt - eine unter vielen Erkenntnissen, die ihn wie alle exzellenten Kabarettautoren auszeichnet. Die Ratlosigkeit über das Allgemeine, sprich die Nichtüberwindung der Dummheit, wird ganz selbstverständlich ergänzt von der Ratlosigkeit über das eigene Versagen. "Wieso ich meine Stasiakte nicht sehen will" und "Wieso ich feige bin" sollen hier stellvertretend für die vielen anderen bemerkenswerten Kapitel genannt werden. Und natürlich werden alte und neue Kabarett-Texte vorgestellt, die jetzt auch die Noch-nicht-DIESTEL-Besucher überzeugen sollten.
Alle, die Kabarett lieben und sich ohne moralinsaueres Geschwätz von der Moral eines gelebten Lebens im Bewußtsein der eigenen Veranwortlichkeit erzählen lassen wollen, kommen um dieses tiefschürfend vergnügliche Buch nicht herum.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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