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Sollte es tatsächlich noch (mittlerweile erwachsengewordene) Kinder
geben, die Jim Knopf, Momo oder Bastian nicht kennen? Daß Michael
Ende neben seinen Kinderbüchern auch Literatur für Erwachsene
veröffentlicht hat, weiß allerdings ganz bestimmt nicht "alle
Welt" - und das entspricht wiederum jenem Schubladendenken, das für
einen Autor bestenfalls ein Kästchen offenhält. Wer seine Prosabände
oder das erst kürzlich vorgestellte Opernlibretto nicht kennt, kann
nun in MICHAEL ENDES ZETTELKASTEN stöbern und mehr von seiner Schaffensbandbreite
kennenlernen: Unveröffentlichte Märchen, Essays, Briefe, Gedichte,
Skizzen zu einer Science Fiction Story, Gespenstergeschichten, Antworten
auf Leserbriefe, ein in Japan gehaltener Vortrag über das Schreiben
und, und, und... Wer nun gleich ein anderes Extrem wie bittergalligen
Zynismus erwartet, würde sicher enttäuscht. Dazu ist Ende offenbar
ein zu großer Optimist, d.h. er glaubt an das Gute im Menschen und
kämpft unverdrossen dafür, daß es endlich auch mal ans
Tageslicht tritt. Aber Ende ist bei allem "Gut-sein-wollen" keineswegs
arglos. So lassen sich schwarzhumorige Passagen entdecken, die z.B. wie
bei dem Disput zwischen einem Professor und einem Müllmann sogar ins
Absurde spielen. Von großem Interesse dürften auch jene Abschnitte
sein, in denen man von seiner Kindheit und Jugend oder von den Überlegungen
und Reaktionen zu seinen Kinderbüchern erfährt. So hat er als
15-jähriger bis zum Kriegsende seiner Einberufung zum Wehrdienst widerstanden
und sich als Erwachsener mit verschiedenen Religionen auseinandergesetzt.
Was die Philosophie betrifft, so bewundert er zwar deren "Gedankenpaläste",
aber er wollte "keinen für immer bewohnen", denn "ich gehöre
nun einmal zum fahrenden Volk, wie alle anderen Gaukler und Künstler,
die danach trachten, jeder und niemand zu sein."
Dieser Zettelkasten dokumentiert die literarischen Zwischenschritte
und autobiographischen Zeugnisse eines integren und höchst vielseitigen
Autoren. Nur schade, daß die einzelnen Arbeiten nicht datiert sind,
und so auch eine zeitliche Zuordnung dieser Arbeiten möglich gewesen
wäre.
Weitere Besprechungen zu Werken von Michael Ende und Sekundärliteratur dazu siehe:
Büchernachlese-Extra: Michael Ende