"Und ich merke täglich, dass die Beschäftigung mit so vielen Menschen nicht nur viele Geschichten bringt, sondern auch schöne Momente, viel Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Potenzial, eine neue Welt aufzubauen, die auf Zusammenhalt, Dankbarkeit und ganz viel Herzlichkeit basiert."
1975 in Kehl am Rhein geboren und in Frankfurt lebend, kommt Jannis zu diesem Schluss, wiewohl er als Sozialarbeiter in der Flüchtlingsberatung von seiner Klientel zuweilen auch enttäuscht wurde. Dass seine Eltern aus Griechenland als "Gastarbeiter" nach Deutschland gekommen sind, verleiht ihm gegenüber Flüchtlingen aus noch ferneren Ländern und Kulturen ein Plus an Empathie, versteht er sich doch ganz selbstverständlich als "Insider" Deutschlands und kennt zugleich die mehr oder weniger subtilen Ausgrenzungen, die auf seine Herkunft gemünzt sind.
In der von Carolin Eichenlaub und Beatrice Wallis herausgegebenen Anthologie "Neu in der Fremde - Von Menschen, die ihre Heimat verlassen" spiegeln insgesamt 20 jeweils nur mit Vornamen gekennzeichnete Beiträge, was es heißt, Alles aufzugeben, um in Deutschland eine bessere Zukunft zu finden - und wie das von den sich als "Einheimischen" verstehenden aufgenommen wird.
Aufgeteilt in dreizehn selbstverfasste Texte und sieben Interviews, haben die beiden Herausgeberinnen eine mitreißend vielschichtige und erhellende Auswahl getroffen. Zu Wort kommen Menschen im Alter von 15 bis 73 Jahren, die jeweils einen sehr unterschiedlichen Blick auf das Thema haben. Darunter sind Flüchtlinge u. a. aus Syrien, Persien oder Schlesien, die sich an ihre Anfänge in Deutschland erinnern und sich schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten integriert fühlen, und Flüchtlinge, für die eine Aufenthaltserlaubnis oder die Anerkennung als Asylant noch in weiter Ferne zu stehen scheinen. Daneben aber auch die 15-jährige Siri, die mit ihrem ehrenamtlich engagierten Vater eine Flüchtlingsunterkunft besucht hat. Sie fand es vorher schon schlimm, als sie von der Grundschule ohne bekannte Mitschüler ans Gymnasium wechseln musste. Für Flüchtlinge ist das in Deutschland ein weit schwierigerer Neuanfang, weiß sie jetzt. Dennoch meint sie als Schülerin nicht soviel Zeit zu haben, um sich wie ihr Vater in ihrer Freizeit zu engagieren. Aber sie ist offenkundig sensibilisiert, hat keine Berührungsängste vor Flüchtlingen und gibt Willkommensschülern bereitwillig Auskünfte.
Neben Siri beziehen sich auch viele der Älteren in ihren Texten und Interviews auf Kindheits- und Jugenderinnerungen, somit ist auch immer wieder eine direkte Identifikationsmöglichkeit für die von der Anthologie avisierte Zielgruppe ab 14 Jahren gegeben - mit der Betonung auf "ab", denn auch erwachsene Leser müssten von den im Wortsinn authentischen Beiträgen beeindruckt sein. Denn hier wird berührend, aber z.T. auch durchaus selbstironisch das scheinbar mehr als ausreichend "über" die Flüchtlinge in den Medien Verhandelte nun durch Selbsterlebtes geerdet. Nicht selten korrespondiert es dabei auch mit "unserer" Vergangenheit, wie z.B. den Fluchterlebnissen nach dem II. Weltkrieg.
Den mittlerweile täglich aufscheinenden Terrormeldungen sollte am besten ebenfalls täglich die Lektüre eines Beitrags aus diesem Buch gegenüberstehen - egal ob zu Hause oder gemeinsam mit anderen z.B. in der Schule. Der Weltfrieden ist damit zwar auf die Schnelle nicht zu erlangen, aber als Denkanstoß gegen die alles vereinfachende Dummheit zulasten von Flüchtlingen kann es gewiss gute Dienste leisten.
Nicht nur ein empfehlenswertes, sondern ein notwendiges Buch!
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