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Die christlichen Kirchen sind im Umbruch. Viele treten aus, wollen Steuern
sparen, andere sehen in ihnen eine Plattform für den Frieden zu streiten,
endlich die Essenz des Cristentums zu verwirklichen. Da setzt K.H. Deschner
seinen langehegten Plan um, die KRIMINALGESCHICHTE DES CHRISTENTUMS aufzuschreiben,
'in der begründeten Hoffnung (..), zahlreichen Menschen nützlich
zu sein, die wenig oder keine Zeit haben, sich mit der Erforschung des
Christentums zu befassen ...'
Aber die jedermensch nachvollziehbaren Wut- und Ohnmachtsgefühle
gegenüber den geschehenen Verbrechen im Namen des Machtapparates Kirche
nutzte Deschner lediglich zur Aneinanderreihung von Sensationen, deren
'Beweiskraft' in ihrer Undifferenziertheit gerade für 'eilige' Leser
keinen wirklichen Informationsgehalt haben. Halbgar, und damit halbwahr,
versucht Deschner durch Menge statt durch Güte die Leser zu überzeugen,
daß das Christentum der Verursacher allen Übels ist. Dabei müßte
er nur eine seiner zitierten Quellen ernstnehmen, um zu erkennen '..,
daß die einzige Kunst, der bis heute nichts Neues einzufallen braucht,
die Staatskunst ist', und diese hat hat das Christentum bzw. vielmehr
die Institution Kirche zum Mittel ihrer Ziele mißbraucht, weil, wie
allgemein bekannt, deren Würdenträger unter Konstantin eben genauso
machthungrig und von daher korrumpierbar waren, wie viele andere Menschen
anderer Religionen und Ideologien zuvor und danach auch. Die Eindimensionalität
seiner Ausgangsthese verführte Deschner dann auch prompt zur unsauberen
Analyse und Sprachregelung. So 'beweist' er die Schandtaten Israels anhand
des Alten Testaments und vergewaltigt damit dieses theologische Zeugnis
zur Geschichtschronik, was es nicht ist und nicht sein will. Geradezu lächerlich
ist schließlich die Beweisführung, daß die Luther-Bibel
von heute nicht mehr mit seinem Original übereinstimmt und stark abgemildert
worden sei. Angenommen, die Kirche habe immer schon nach ihren Machtinteressen
die Bibel übersetzt, warum soll dann gerade Luther, der Ordnung und
Obrigkeit gleich unter Gott stellte, dem nicht auch in seiner Übersetzung
nachgegeben haben? Nicht mehr lächerlich dagegen ist das vorgestellte
Bild des alten Israels, vor dem sich Alt- und Neonazis vergnügt die
Hände reiben werden. Pauschal wird das ganze Volk bzw. das Judentum
als grausam und intolerant, dagegen Alexander der Große nur als Datum
vorgeführt. Ohne den wirklich gemeinsamen Nenner - das Spiel Einzelner
mit der Macht über Millionen Einzelschicksale - in Beziehung zu setzen,
ist dann das Christentum eben noch grausamer als das Judentum und setzt
zu dessen Verfolgung ein.
Da nimmt es auch nicht weiter wunder, wenn einer nach dem Studium u.a.
auch der Theologie (wie viele Semester?) die Bezeichnung 'pharisäisch'
im anti-judaistischen Sinne von 'scheinheilig, verlogen' gebraucht.
Diese Ungereimtheiten werden nach der von Deschner ausdrücklich
gelobten Bellmann-Regel:
'Sag's dreimal - und dir wird geglaubt' mit 1000 multipliziert
und damit der Zweck mit den Mitteln der zurecht gebrandmarkten Personenbeispiele
geheiligt und zugleich denunziert. Das Volk ist bei Deschner, wie bei anderen
Geschichtsschreibern nur als -zigtausend Opfer von Interesse, und so setzt
er sich auch mit seinen nicht-übersetzten Spruchwendungen aus dem
Lateinischen, Italienischen und Französischen über den 'normalen'
Leser hinweg. Nur mit dem Kalkül des Verlegers oder der Selbstgefälligkeit
des Autoren ist ferner die Unverschämtheit zu erklären, daß
die insgesamt 985 (i.W. neunhundertfünfundachtzig) Quellenzitate der
10 Kapitel inkl. Einleitung plus Nachbemerkung erst im Anschlußband
belegt werden sollen - bei einem Buchpreis von 48.- DM ...
Zu schlechter Letzt noch den zur Stilblüte geronnenen Offenbarungseid
Deschners, den er fairerweise gleich auf den ersten Seiten von sich gibt:
"Und die guten Christen sind am gefährlichsten - man verwechselt
sie mit dem Christentum."
Deshalb wird wohl auch so ein Buch verlegt, denn: Die guten Schriftsteller
sind am gefährlichsten - man verwechselt sie mit Literatur.