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Franz Josef Degenhardt

August Heinrich Hoffmann, genannt von Fallersleben

Roman. C.Bertelsmann, München 1991. 320 Seiten. ISBN: 3-570-02530-6, >>> Amazon
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Franz Josef Degenhart, der seit über 30 Jahren mit seinen Konzerten die Säle füllt, hat einen Roman geschrieben. Es ist sein fünfter und stellt eine Meisterleistung dar.
Von den öffentlich-rechtlichen Medien lange Zeit wegen seiner eingestandenen Nähe zum kommunistischen Gedankengut geschnitten, bewies er einmal mehr, daß zur demokratischen Folgerichtigkeit mehr gehört, als jemanden in eine mit Parteienkürzeln versehene Schublade zu stecken.
Seine Lieder waren niemals Agitation, sondern zeichneten sich durch brillante Beobachtungsgabe und eine unwiderstehliche Sprachgenauigkeit aus, die zusammen mit der Modulationsfähigkeit seiner Reibeisenstimme live wie auf Platte jedesmal ein weiterführendes Erlebnis sein konnten.
So ist es überhaupt kein Wunder, daß gerade Degenhart sich den Vater der Liedermacherei aus dem 19.Jahrhundert zum Thema seines Romanes gemacht hat, auch und gerade weil es sich dabei um AUGUST HEINRICH HOFFMANN, GENANNT VON FALLERSLEBEN handelt.
Dieser Verfasser des vielgedeuteten "Lied der Deutschen", dessen dritte Strophe nun endgültig zur Nationalhymne erklärt worden ist, wird in den letzten Jahren seines Lebens wie eine Touristenattraktion von vielen Ausflüglern in Corvey besucht. Dort hatte er für das letzte Jahrzehnt seines Lebens endlich eine ihn ausreichend versorgende Bleibe bewilligt bekommen. Eines Tages besuchen ihn u.a. der Urgroßvater des sich dezent zurückhaltenden Ich-Erzählers sowie Henriette Landau, eine unter Pseudonym veröffentlichende Journalistin, in die sich Friedrich Wilhelm Hasenclever im Laufe des Romanes noch heftig verlieben sollte. Die beiden hinterließen jeweils Tagebücher, aus denen der Erzähler schöpft, sie kommentiert und zitiert. Hoffmann wiederum wird von diesen "Vorfahren" kommentiert, was einen wirklichen Kunstgriff darstellt, da sie Hoffmann zwar als "oratorisches Genie - wenn auch von dunnemals -, doch todlangweiligen Prosaisten, jedenfalls was seine Memoiren angeht", apostrophieren. Für sie lebt Hoffmann, "der alte Märchenriese", als Zeuge der "jüngsten Vergangenheit", und aus diesem Augenwinkel betrachtet, wird er auch für uns Heutige lebendig mit seinem Charme, seiner Sturheit, seiner Ängstlichkeit(die gut begründet wird) und seiner Integrität.
Degenhart nutzte die Möglichkeiten des Genres zu in Spannung haltenden Vor-und Rückblenden und seinen aus den Liedern bekannten Zwischentönen, die er mit in 5 Jahren gesammelten Recherchen unterfütterte, ohne je aufdringlich zu werden. Vielmehr hat der Leser teil an einem Panoramaausblick auf eine Zeit und von ihr nicht nur zwischen Tragik und Komik bewegter Menschen, unter denen Hoffmann seinen wahrhaftig nicht immer leichten Stand hatte.
Zudem redet Degenhart nicht über das Muße-Verständnis jener Zeit, sondern er entlädt es in sich mäandernden, keineswegs jedoch ausufernden Sätzen, und findet Worte, die in ihrer Alt-Vertrautheit und Deutlichkeit nicht nur dem Philologen manches Aha-Erlebnis verschaffen werden.
Degenhart erzählt in seinem Roman ein Stück Herkunft von uns Deutschen, zu dem man sich in seiner Gesamtheit bekennen muß, um zu verstehen, warum "mir jedesmal ein Schauer über den Rücken läuft, wenn ich das Lied der Deutschen höre", und warum er trotzdem dieses Deutschland noch nicht verlassen hat.
Ein preis- vor allem ein lesewürdiges Buch.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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