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Für seine Ausbildung schuldet Kinsch Na Shannack der Diebesgilde ein nicht unerhebliches Vermögen. Allein durch Diebstähle ist das kaum zurückzuzahlen. Allerdings lernte Kinsch neben Schlösser knacken, Mauern erklettern, Stürze abfangen, Lügen spinnen, Stimmen werfen, Fallen bauen und Fallen finden auch ein paar überlebensnotwendige kleinere Zaubereien. Außerdem war er von Haus aus ein passabler Bogenschütze, Messerkämpfer und Fiedler auf der Geige. Dennoch zieht er alsbald in einem Team von Wegelagerern den Kürzeren, als er die Ritterin und Dienerin der Todesgöttin Galva zu überfallen versucht. Zuletzt kann er froh sein, dass Galva ihn im Gegensatz zu den anderen Beteiligten am Leben lässt, damit er sie auf der Suche nach ihrer Königin am anderen Ende der Welt unterstützt. Eine wirkliche Wahl hat er dabei natürlich nicht …
Von dem US-Autor Christopher Buehlman wird nach einigen Büchern im Horror-Genre mit "Der schwarzzüngige Dieb" der erste Band der Reihe "Schwarzzungendieb" und damit auch zugleich sein High-Fantasy-Debüt vorgelegt. (Laut TOR als dem Verlag der Originalausgabe ist die Reihe auf insgesamt drei Teile angelegt.)
Zu den bereits erwähnten Figuren Kinsch und Galva gesellen sich nach und nach weitere, darunter insbesondere auch noch die zauberkundige und Kinsch bald sehr nah kommende Norrigal sowie ein blinder Kater inklusive blindem Passagier. Galva hat dieser Quest bzw. Such- und Abenteuermission das Ziel vorgegeben, während Kinsch bis zum Kennenlernen von Norrigal eigentlich nur irgendwie überleben will. Doch bis sich die dafür notwendig schlagkräftige Gruppe gefunden hat, müssen sich die Leser die ersten 200 Seiten gedulden. Bis dahin kommt erstmal nur Kinsch zu Wort und präsentiert in recht schnodderigem Tonfall als letztlich doch sehr sympathisches Schlitzohr eine umkämpfte Welt, die sich die Gilde am liebsten ganz einverleiben möchte, auf der Kobolde nach Menschenfleisch hungern, Kraken in dunklen Gewässern jagen und Ehre ein Luxus ist, den sich nur wenige leisten können. Erwähnenswert auch, dass Kinsch, wenn überhaupt, dann zu einem Gott namens Fothannon betet und von diesem zuweilen in Gestalt eines Fuchses ein Echo bekommt - eine anarchisch komische Kombination, die in summa nicht wenig an den Shakespeare'schen Puck alias Robin Goodfellow erinnert.
Für Leseungeübte mag all das ein zu detailreiches Zuviel für den Aufbau dieses ja auf mehrere Teile angelegten fiktiven Universums sein, jedoch für Kenner und Zwischen-den-Zeilen-Leser beweist der Autor ein sehr gutes Gespür für das Timing der Geschichte. Und Liebhaber des schwarzen Humors kommen ohnehin dank Kinschs schnoddrigen Tonfall für seine treffenden Beschreibungen auch die ersten 200 Seiten schon auf ihre Kosten. Wesen wie - nicht selten wirklich sehr gewalttägige - Kobolde, Riesen und Magier sind zwar für die Fantasy per se nichts Neues, aber was Buehlmann diesen hier an Eigenheiten andichtet und ausfabuliert, belebt sie auf skurril erfrischende Weise, so dass hier also keinesfalls von überflüssigen Längen die Rede sein kann. (Im Anhang gibt es dazu noch eine so schöne wie auch für die Orientierung hilfreiche Karte sowie Schaubilder zu den in der Welt von Kinsch gebräuchlichen Bezeichnungen der Jahreszeiten und Wochentage.)
Und sobald die Gruppe beieinander ist, zieht der Plot einen sowieso in seinen Sog und lässt einen bis zur letzten Seite nicht mehr los. Und hier findet der Roman ein gelungenes Ende mit einem in sich runden, bereits befriedigenden Abschluss, der zugleich aber auch einen äußerst wirksamen Cliffhanger enthält und damit auf den Folgeband neugierig macht.
Bleibt nur noch die Frage, ob der Autor dieses unterhaltsam hohe Niveau aufrechterhalten kann.