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Daß die Arbeiten des gebürtigen Berliners Harald Budde, Jg.
1934, noch immer lediglich als "Geheimtips" gehandelt werden, ist
kaum verzeihlich. Denn in MIRABELLE spielt er einmal mehr virtuos auf der
Klaviatur absurd grotesker Begegnungen und Dialoge.
Vensco war allen Frauen dankbar, aber er vergaß sie, kaum daß
sie zu seiner Tür hinaus waren.
"Nur an eine muß ich stets
denken, denn sie ist das strahlende Vorbild, an dem ich sie alle messe
und vor dem sie alle erbleichen und erröten müssen."
MIRABELLE
aber ist eine Lumpenpuppe von exorbitanten Ausmaßen: 35 Zentimeter
Kopflänge, 40 Zentimeter Körperlänge und 70 Zentimeter Beinlänge!
Eigentlich verständlich, daß es keine Frau neben ihr lange aushalten
mag. Andererseits gibt gerade Mirabelle Vensco jene überlebensnotwendige,
traumwandlerische Sicherheit, die ihn wiederum neben seiner feinnervigen
Sensibilität und unverklemmten Leidenschaftlichkeit für viele
Frauen sehr anziehend macht. Unter diesem Zwiespalt leidet Vensco keineswegs,
erst als Mirabelle mit über vierzig Jahren unübersehbare Auflösungserscheinungen
zeigt, wird Vensco von einer tiefen Unruhe geplagt. Einmal mehr spielt
Harald Budde virtuos auf der Klaviatur absurd grotesker Begegnungen und
Dialoge.
War es in seinem letzten Roman (Zwischen Bett und Sofa) die Nachkriegszeit,
wirft Budde nun Schlaglichter auf die scheinbar entzauberte Gegenwart.
Diesmal allerdings in den sich verwebenden und tabuüberschwebenden
Traumgesichten Venscos. Und gerade als man sich anfängt Sorgen zu
machen, ob der wie der Autor über 60-jährige Protagonist nicht
doch noch ins reineweg Anrüchige abstürzen würde, hat er
längst Anlauf für eine Volte genommen, die einen nach all dem
bizarren Klaumauk in ihrer Zartheit schier überwältigt. Hätte
Joseph Beuys Mirabelle gekannt, er hätte die Kunsthallen nicht mit
Fettecken strapazieren müssen.
Weitere Besprechungen zu Werken von Harald Budde siehe:
Büchernachlese-Extra: Harald Budde