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In der nun auch vor dem Verfassungsgericht ausgetragenen Debatte um
das Brandenburgische Schulfach LER gerät ein ganzer Berufsstand zuversehends
zwischen die Mühlsteine. Seltsamerweise sind ReligionslehrerInnen
scheinbar die letzten, deren Meinung um eine künftige Ausgestaltung
des Religionsunterrichts (=RU) oder seine Einbindung in LER gefragt wäre.
Dabei sind sie die ersten, die demnächst mit betriebsbedingten Kündigungen
zu rechnen haben, wenn der Arbeitgeber Kirche dem RU und den Leistungen
seiner LehrerInnen weiterhin die nötige Referenz verweigert. Um dieses
Trauerspiel vom Kopf auf die Füße zu stellen, mag eine empirische
Studie zu Rate gezogen werden, die Anton A. Bucher, Professor für
Religionspädagik in Salzburg, verfaßt hat. Diese Studie fragte
u.a. danach, welche allgemeinen Faktoren dazu führen, ob der RU beliebt
ist oder nicht, ob er als effizient oder überflüssig wahrgenommen
wird. Auch wenn hierzu die Daten in Österreich bei katholischen SchülerInnen
gesammelt wurden, sind die "verallgemeinbaren Erkenntnisse" durchaus
auch für Deutschland und den evangelischen RU übertragbar.
Vorweg, was vielleicht überraschen mag: Der RU hat sich bei seinen
TeilnehmerInnen von einem in der Vor- und Nachkriegszeit unbeliebten, zu
einem Fach des gehobenen Mittelfeldes gemausert. Die entsprechenden Daten
sind für Fachleute in Tabellen mit ausführlichen Variablenbeschreibungen
nachzuvollziehen, für interessierte Laien in eingängigen Zusammenfassungen
und Zwischenerläuterungen nachzulesen.
Bucher zitiert dabei natürlich auch umfänglich die Ein- und
Ansichten anderer KollegInnen. So ergibt sich aus dem Voranschreiten der
Pluralisierung der Gesellschaft mittelfristig die Forderung nach einem
"ökumenischen Zusammengehen" und langfristig nach einem "stärker
interreligiös angelegten und durchgeführten RU".
Was den angeblich wertfreien Unterricht von LER angeht, könnte
hier seinen Verfechtern folgendes ins Stammbuch geschrieben werden: Neben
der "konfessionellen" Zuordnung steht die "konfessorische"
der LehrerInnen im Sinne von Bekenntnis und Überzeugtsein außer
Frage. "'Ungebunden' kann religiöse Erziehung niemals sein, das
wäre ein Widerspruch zum Begriff und Wesen von Religion(= 'Rückbindung'
des Menschen an das Göttliche oder Numinose)."
Und der Kirchenleitung das Nachfolgende: "Viel stärker als
bisher müßten die Verantwortlichen in der Kirche die Erfahrungen
von ReligionslehrerInnen ernstnehmen. Nicht nur aus dem pragmatischen Grund,
daß die Unterrichtenden für viele Heranwachsende die einzigen
Repräsentanten der Kirche sind. Darüber hinaus nehmen sie in
der alltäglichen, zumeist offenen Begegnung mit Kindern und Jugendlichen
Zeichen der Zeit früher wahr als Kirchendiener in den bischöflichen
Palais."
Es erweist sich allerdings, daß vom RU allenthalben erwartet
wird, die in der Familie vielfach ausgefallene religiöse Primäsozialisation
nachzuholen, "was in der Regel eine unrealistische Überforderung
darstellt." Andererseits gilt: "Demokratie und Gerechtigkeit müssen
von Heranwachsenden erfahren werden können; dazu trägt - in der
Sicht vieler SchülerInnen - auch der RU bei."
Im Anhang wird die Studie Buchers von zahlreichen Honorablen nicht
nur aus der katholischen Kirche gewürdigt und kommentiert. So meint
Dr. Georg Eder, Erzbischof von Salzburg, bezogen auf die Wertschätzung
des RU: "Manchmal habe ich den Eindruck, daß Insider der Kirche
die Institution und Leistungen der Kirche negrativer beurteilen als sogenannte
'Fernstehende'."
Noch weiter geht der Univ. Prof. DDr. Fritz Oser aus Fribourg: "Es
muß also überlegt werden, wie Religion als solche wirksam ist
und wird. Und da haben Lehrpersonen ein viel größeres professionelles
Wissen als Theologen und amtskirchliche Vertreter. Von ihnen wäre
zu lernen. (..) Ist es nicht so, daß heute die Pädagogik und
Lehrerbildung von der Religionspädagogik lernen müßte?"
Aus der Seele der meisten ReligionslehrerInnen dürfte nicht zuletzt
Prof. Dr. Matthias Scharer aus Linz sprechen: "Die Kirchenleitungen
haben es bitter notwendig, den ReligionslehrerInnen ihr ganzes Vertrauen
und deren fachlicher, personaler und kommunikativer Aus- und Weiterbildung
die besondere Sympathie zu schenken; schließlich verdanken sie ihnen
noch immer die Beziehung zum Großteil der Kinder und Jugendlichen
in Österreich."
Vor einer entsprechenden Studie, die sich auf in Deutschland erhobene
Daten bezöge, müßte m.E. jedenfalls keiner Angst haben
- am wenigsten die ReligionslehrerInnen.