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Anita Brookner

Nachzügler

Zsolnay, Wien 1991. 255 Seiten. ISBN: 3-552-04323-3, >>> Amazon
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"Du bist ein Nachzügler. Wie ich. Wie übrigens auch Yvette. Du hattest einen bösen Anfang. Warum dahin zurückkehren? Eines ist sicher: Du kannst nicht von vorn anfangen."
Hartmann und Fibich sind seit ihrer Kindheit befreundet, seit ihre Eltern von der Gestapo abgeholt und sie gerade noch rechtzeitig nach England "verschickt" worden sind. Sie haben beide Glück und etablieren sich in ihrer neuen Heimat, werden zu saturierten Geschäftsleuten, heiraten, haben je ein Kind, Hartmann dann auch zwei Enkelkinder.
Hartmann und Fibich bilden den Lebensmittelpunkt einer tiefen Freundschaft. Der eine gutgelaunt und alle Störungen verdrängend wird vom anderen mit seiner Sehnsucht nach der für ihn unauslotbaren Vergangenheit ergänzt.
Die geheirateten Frauen, ihre gemeinsamen Kinder und Enkelkinder bringen ihre Geschichten und Impulse mit ein und sind somit alles andere als Randfiguren in dem Roman von Anita Brookner.
Ausgehend von den süffisanten Betrachtungen Hartmanns, der sich gern als die Inkarnation eines durch und durch englischen Gentleman betrachtet und mit seinem nicht allzu schwarzen Humor dem Niederschmetternden des Lebens sehr gut auszuweichen scheint, umgarnt die Autorin die Leser schon bald mit einem dicht verwobenen Geflecht der Beziehungen und jeweiligen individuellen Positionen. Vorgestellt wird eine perfekte Symbiose beider Paare, die sich jahrzehntelang respektvoll zu ergänzen weiß, auch als gegen Ende des Romans die Kinder, aus einsehbaren, belegten Gründen sich nicht so entwickeln wie erwartet, Fibich geschockt von seiner lange aufgeschobenen Berlinreise zurück-kommt und Yvettes Kindheitslegende zusam-menbricht.
In wundervoll übersetzter präziser Prosa versteht es die Autorin mit ihrem Roman Lebensantriebe zu beschreiben. Stets sind ihre ProtagonistInnen überzeugend, egal welches Geschlecht, welches Alter sie haben. Dank ihrer genauen Beobachtungsgabe gerät ihre unsentimental vorgetragene Lebensweisheit in einzelnen Absätzen zu merkenswerten Aphorismen.
Die Geschichte dieser Menschen vermag im besten Sinne anzurühren - ein selten zu vergebendes Kompliment an einen Roman, den auch die Psychoanlalytikerin Alice Miller zu schätzen wissen müßte.

Buechernachlese © Ulrich Karger


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