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In einer Zeit, in der sich selten noch jemand um "sein Geschwätz
von gestern" kümmert, leisten die Herausgeber gesammelter Verlautbarungen
zu der Laudatio von Günter Grass auf den Friedenspreisträger
Yasar Kemal wichtige Gedächtnishilfe.
Manfred Bissinger ("Die Woche") und die der Werkausgabe von Günter
Grass verpflichtete Daniela Hermes haben nach Abzug der wiederholt zitierten
dpa-Meldungen aus 61 Zeitungen beziehungsweise Magazinen über 100
Artikel reproduziert und den Kapiteln "Reaktionen in Politik und Kultur",
"Medienberichte" sowie "Kommentare" zugeordnet. (Die Verkleinerungen
der ausführlichen ZEIT-Artikel sind hierbei allerdings an die Grenzen
des Wahrnehmbaren gestoßen.)
Gerahmt wird dieser Block zu Beginn von einem Vorwort Bissingers, das
in einer Art Ouvertüre noch einmal die Diskussionen um Günter
Grass im Allgemeinen und im Besonderen aufgreift, sodann die kompletten
Texte besagter Laudatio sowie der übersetzten Dankesrede Kemals. Im
Anhang sind "Volkes Stimme" in Leserbriefen, Hinweise von Daniela
Hermes zur Materialauswahl sowie Autoren- und Quellenregister nachzulesen.
Mit dem Tag der Preisverleihung am 19.10.97 wird hier eine Lawine der
Meinungsverschiedenheiten dokumentiert, die, dank auch einer spätere
Rede des Bundespräsidenten Roman Herzog, erst mit einem Beitrag in
der Frankfurter Rundschau am 24.12.97 ausläuft. Über diesen Zeitraum
hinweg sind neben allem Pro und Contra unter anderem zwei Dinge besonders
bemerkenswert: Einige Angehörige der "postmodernen" Generation vermögen
sich ähnlich wie die noch verdrängenden Altvorderen der Nachkriegszeit
nicht für das eigene Land zu "schämen" und gerade damit
die Zugehörigkeit zu diesem Land zu bekunden. Hier sei an Jens Jessens
verdrehten Beitrag in der Berliner Zeitung (S.180 f.) erinnert sowie auf
einen Leserbrief in der WAZ (S.245) hingewiesen, worin ein Herr Heßelmann
die Bücher von Grass zwar nicht verbrannt, aber nun auf den Müll
"befördert" hat.
Das Zweite wurde im Publik Forum (S.211) berichtet, wonach die Rede
von Grass offenbar doch nicht nur Sprechblasen gezeitigt, sondern auch
zu etwas ganz Konkretem ermutigt hat. Neben den einzelnen bereits aktiven
Kirchengemeinden gibt es nun ein von Flüchtlingsorganisationen, Gewerkschaftern,
Politikern und prominenten Künstlern gegründetes Netzwerk, das
Ausländer ohne Aufenthaltsstatus unterstützen und notfalls auch
verstecken will.
Weitere Besprechungen zu Werken von Günter Grass und Sekundärliteratur dazu siehe:
Büchernachlese-Extra: Günter Grass