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Das Geniale liegt oft im naheliegenden - der Neutestamentler Klaus Berger und die Übersetzungswissenschaftlerin Christiane Nord haben einen gänzlich anderen Weg beschritten, um das Neue Testament als Zeugnis einer im Werden begriffenen Religion vorzustellen.
Das Ergebnis ist dann eben nicht ein schmales Bändchen, wie es zuweilen noch in Hotels ausliegt, sondern ein umfangreiches Werk, das auch noch sämtliche bekannt gewordene frühchristliche Schriften einschließt, wie sie im 2. Jahrhundert vor Festlegung des Kanons vorlagen.
Ist im deutschsprachigen Raum dieser 'rekonstruierte Büchertisch' schon für sich genommen ein Novum, sorgte die Kombination Berger und Nord auch für eine das Übliche sprengende Neuübersetzung und Neukommentierung der Zeugnisse über Jesus. Sie folgt der modernen 'funktionalen' Übersetzungstheorie, die nicht wie in Theologenkommissionen 'abgeschliffene' Kompromisse machen muß, sondern den Mut zur eigenverantwortlichen, eindeutigen Übersetzung hat. Das einfach abzulehnen, wird selbst Puristen schwerfallen, denn jede übersetzerische Entscheidung wurde auch jeweils ausführlich, und wie ich meine, plausibel kommentiert und erläutert. Gerade für Laien aber ist diese eingängig lesbare und dennoch 'unverfälschte' Übersetzung ein grandioses Werkzeug, um sich an diesen Glaubenszeugnissen auch ohne 'geistlichen Beistand' reiben zu können.
Bei Theologen und sonstigen Fachleuten dürften nicht zuletzt die im Vorwort vorangestellten Erläuterungen zur Methodik für auffrischenden Wind sorgen. Oder reicht für sie allein schon die Neudatierung und die daraus resultierende Neuordnung kanonisierter Texte zum Sturm im Wasserglas?
Man wird sehen - man sollte lesen!