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Sexualität und Religion sind eng miteineinander verknüpft.
Man könnte sogar sagen, im Zentrum aller Religionen dieser Welt steht
die Auseinandersetzung und Bewertung menschlicher Sexualität, indem
sie Aussagen über die Arterhaltung bzw. Vermehrung machen und Anleitungen
geben, die damit verbundene Sinnlichkeit zu fördern, zu beschränken
oder gar zu "verteufeln".
Wer nun Gerhard J.Bellingers fundierte Zusammenschau von der "Sexualität
in den Religionen der Welt" unter dem Titel IM HIMMEL AUF ERDEN in Händen
hält, weiß, daß es dazu nicht nur die "eine Wahrheit"
geben kann. Frappierend sind vielmehr die offensichtlich vielen gemeinsamen
Symbole, die wiederum auf ineinander verwobene Ursprünge verweisen.
So ist z.B. die Metapher der "Jungfrauengeburt" keineswegs eine originäre
"Erfindung" der Christen, sondern hat seine Vor-und Nebenformen auch in
anderen Religionen.
In sechs Schritten stellt der Autor nun die Religionen unter dem Aspekt
ihrer sexuellen Aussagen vor. Es beginnt mit den Sippen-und Stammesreligionen
der Steinzeit, die im Lauf der Jahrtausende die weibliche Dominanz zugunsten
des noch immer vorherrschenden Patriarchats "überwinden". Als nächstes
werden die Volks-und Reichsreligionen Afrikas, Vorderasiens, Europas und
Amerikas belegt, es folgen die Weltreligionen Hinterasiens (Hinduismus,
Buddhismus) sowie die monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum.
Zuletzt wird in diesem Zusammenhang auch auf neue Religionsgemeinschaften
und Bewegungen hingewiesen, wie z.B. die New-Age-Bewegung.
Nicht nur interessierte Laien werden sich von dem umfangreichen Bildmaterial
inspirieren lassen, um schließlich den instruktiven Texten zu folgen.
Wer sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten religiös definierter
Sexualität wissenschaftlich auseinandersetzen will, dem wird das reichhaltige
Stichwortverzeichnis des Anhangs eine große Hilfe sein. FeministInnen
dürfte zudem die saubere Sprachregelung dieses Werkes sehr zufrieden
stellen, legt sie doch eindeutig bloß, was sich so über die
Jahre in manch religiösem Denken auch nach ihrer inneren Logik oft
völlig zu unrecht "eingeschliffen" hat. Ein stets widerkehrendes Unterkapitel
hinterfragt z.B. den Einfluß der jeweiligen Religionen auf Wertigkeit
und Geschlecht verschiedener Wörter. Etwas zu bemängeln sind
jedoch die fehlenden Querverweise, die nochmal deutlich hervorheben könnten,
wie sehr manche Religion auf die andere aufbaut. So nennt der Autor in
seinem Vorwort Jesus unkritisch als das Beispiel für einen unverheirateten
Religionsstifter, obwohl er im Kapitel über das Judentum nachweist,
daß ein Rabbi, wie Jesus ja mehrfach im NT genannt wird, verheiratet
zu sein hatte. Allerdings - gerade weil die Querverweise fehlen, könnte
so manche/r bei den Grundaussagen Jesu und den z.T. unkommentierten Aus-bzw.
Verformungen dieser Aussagen im Lauf der Kirchengeschichte Mut zum eigenen
konstruktiven Widerspruch finden.
Insgesamt ist das Buch wegen seines klaren Aufbaus, seiner guten Lesbarkeit
und nicht zuletzt wegen seiner mehr als preiswerten Ausstattung sehr zu
empfehlen.