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Büchernachlese-Bestenliste 2010

Chaim Be'er

Bebelplatz

Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Anne Birkenhauer. Berlin Verlag, Berlin 2010. 319 Seiten. 25,60 Euro. ISBN: 978-3-8270-0861-9, >>> Amazon
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Angestoßen durch den millionenschweren, ihm nur wenig sympathischen Immobilienhändler Sussmann, tritt in dem Roman "Bebelplatz" von Chaim Be'er der israelische Autor selbst als Ich-Erzähler von zeit- und raumgreifenden Begebenheiten auf. Sussmann hatte es sich nämlich in den Kopf gesetzt, zu Ehren seiner im Meer ertrunkenen Tochter Symposien mit einem von ihm ausgesuchten "Gelehrtenzirkel" abzuhalten. Sie sollten ihm dabei helfen, die Abgründe des Lebens besser zu verstehen. Wiewohl das nächste Treffen im "Literarischen Colloquium Berlin" (LCB) unweit des "Hauses der Wannsee-Konferenz" stattfinden würde, beruhte schließlich Be'ers Zusage zu diesem Symposium auf mehreren Gründen: Die sehr geschickte, weil von Zitaten gespickte Gesprächsführung Sussmanns, Be'ers gerade virulente Schreibblockade, ein ansehnliches Honorarangebot, die Aussicht auf eine seltene Erstausgabe sowie auf ein Wiedersehen mit Astrid Siegel, in die er sich trotz seiner jahrzehntelangen und ungebrochenen Liebe zu seiner mit "mein getreuer Kant" eingeführten Ehefrau verliebt hatte.
Letztlich endet dieses Unternehmen für Be'er mit vom "getreuen Kant" vorhergesagten Enttäuschungen aber auch mit Selbsterkenntnissen, die er nicht zuletzt Astrid Siegel und dem Kennen- und Schätzenlernen des alten Berliner "Bücherjägers" Salomon Rappoport abgewinnt.
Dank der äußerst einfühlsamen, dem Autor zum besseren Verständnis sogar Änderungen und Ergänzungen abbringenden Übersetzerin Anne Birkenhauer wird deutschsprachigen Lesern mit "Bebelplatz" ein außergewöhnliches Leseerlebnis ermöglicht.
Israel und das Judentum, Schriftstellerei und alte wie neue Bücher werden aus der Sicht israelischer Juden im Umfeld des Denkmals zur Bücherverbrennung am Berliner Bebelplatz kritisch aber auch durchaus selbstkritisch verhandelt. Be'er zieht unsereinen sehr leicht in seine so vielfältig verzahnten wie auch berührenden Geschichten hinein, die einen dennoch gleichermaßen außen vor halten. Das selbstverständliche Reden im Hier und Jetzt stehender Intellektueller im Subtext von Zitaten einer gut 3000-jährigen Schriftkultur ist dem säkularisierten Nachkriegsdeutschland und insbesondere den Berlinern sehr fremd geworden. Umso mehr beeindruckt dieses Jotagenaue Ausdrucksvermögen von Befindlichkeiten, das wenn schon nicht seine Vermeidung, so zumindest doch eine erhellende Sicht auf das Minenfeld zwischen Anti- und Philosemitismus gewährt.
Und neben den im geschichtsträchtigen Berlin angesprochenen großen Themen ist es nicht zuletzt auch die kleinere Dimension des zur literarischen Figur erhobenen Schriftstellers, die hier mit ihren Hoffnungen und Nöten zu fesseln weiß.
Lesen!

Buechernachlese © Ulrich Karger


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