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Noch bevor Sie mit Ihren Kindern das Kino besuchen, um HOOK zu sehen,
sollten Sie ihnen und sich selbst das Orginal zugänglich machen. PETER
PANs Abenteuer von J.M.Barrie sind zwar ähnlich denen in HOOK, nur
daß Peter Pan ein anderer Peter Pan ist, auch anders als der Trickfilm-Peter-Pan
aus den Walt Disney Studios. Bei Walt Disney ist der Unterschied etwa so
groß wie der zwischen Aschenputtel und Cinderella, HOOK geht noch
weiter, und beinhaltet eine "postmoderne" Interpretation, die nicht
im Sinne des Erfinders war. J.M.Barrie erzählte lange vor dem Psychologen
Jean Piaget von den Eigenschaften des kindlichen Egozentrismus und hat
sich ausgemalt, was wäre, wenn diese Eigenschaften zu konservieren
wären, frei nach dem Motto: Die Kinderzeit ist doch (angeblich) die
schönste Zeit im Leben eines Menschen.
Fatalerweise ist das Orginal von PETER PAN eben ein Theaterstück,
das lediglich als Nacherzählung anderer Autoren für Kinder nach-
und vorzulesen ist. Insofern kann es gegen HOOK nicht so sehr um eine Kritik
des Mißbrauchs von Urheberschaften gehen, als um den Hinweis auf
eine Erzähltradition, die 88 Jahre alt sein könnte, würde
den Kindern heute noch soviel erzählt wie noch vor den Zeiten des
nach Stunden zählenden Fernsehkonsums.
PETER PAN verdient es, gleich der Grimm'schen Märchensammlung
als weltweites Kulturgut gepflegt zu werden. Dazu gehört auch das
intime Zusammensein der Kinder mit ihren Eltern, Großeltern oder
wem auch immer, wie es das Vorlesen einer Geschichte erlaubt. Nichts gegen
Kino, aber darin sitzt man bei aller Gedrängtheit eben doch nur nebeneinander,
darf keine Zwischenfragen stellen, wird der geballten Ladung auf quadratmetergroßen
Leinwänden binnen anderthalb Stunden ausgesetzt und danach der nach
dem "merchandising"-Konzept vorbereiteten Produktpalette: Vom Plastik-HOOK
bis zum gleichnamigen Videospiel.
Im Boje Verlag ist nun kürzlich eine preiswerte Nacherzählung
PETER PANs von Peter Oliver in der einfühlsamen Übersetzung von
Angelika Eisold-Viebig erschienen. Sie hat es vorzüglich verstanden,
den angelsächsischen leisen Witz zu übertragen, der die märchentypische
Grausamkeit mancher Szenen leichter übertstehen läßt. Die
großformatigen Seiten mit wunder-und detailreichen Illustrationen
von Eric Kincaid versehen, die in Ausschmückung und Colorierung zeitgemäß
dem Jugendstil verpflichtet sind, wird hier die Muße des (Vor-)Lesens
zu einer genußvollen Übung, der man sich daraufhin vielleicht
wieder öfter unterziehen möchte.